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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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anrufen.
    Und das stimmte auch.
    «Du kannst von hier aus telefonieren.» Auf Dennys Kahlkopf glänzte der Schweiß, so zornig war er.
    «Nein, das geht nicht.» Auf keinen Fall wollte Lol diese Sache mit Denny besprechen, bevor er nicht ein paar Informationen eingeholt hatte.
    «Du   …», Denny kam auf ihn zu. «Du weißt mehr darüber, als du rauslässt. Woher kommt das? Was hat es mit diesem Krähenscheiß auf sich?»
    «Ich ruf dich morgen an.»
    «Und du kannst diesem verdammten Lyden sagen, dass die Sache beendet ist!», brüllte ihm Denny hinterher.
    Als Lol aus dem Haus kam, hatten James und die anderen ihre Instrumente in den Wagen gepackt und wollten losfahren. Als der Transit auf Lols Höhe war, hielten sie an. James’ walisischer Freund Eirion saß am Steuer.
    «Mr.   Robinson», rief Eirion, «was haben wir denn falsch gemacht?» Er klang ziemlich geschockt.
    «Fahr weiter, Lewis», hörte Lol James lässig sagen. «Mein Alter regelt das schon.»
    «Sorry», sagte Eirion, bevor er weiterfuhr. Lol überlegte, wie gut seine Chancen standen, vor James mit Dick zu reden.
     
    «Wie alt sind Sie, Merrily?»
    «Sechsunddreißig.»
    Sie saß am Fußende des Bettes und fühlte sich ein bisschen losgelöst, irgendwie nicht ganz da. Sie bekam leichte Schuldgefühle, denn dieser Zustand war gar nicht so unangenehm. Vielleicht lag es am Whiskey   …
    Oder etwa nicht?
    «In Ihrem Alter wusste ich überhaupt nichts», sagte Miss White. «Ehrlich gesagt wusste ich auch noch nicht viel, als ich in Pension gegangen bin. Damals waren Sie fast noch ein Kind. Ich habe mir in dieser Zeit zwar eingebildet, alle möglichen Fähigkeiten zu haben, aber ernsthaft habe ich mich mit diesen Dingen erst befasst, als ich aus London wegging.»
    Sie schloss einen der Schränke auf und öffnete die Türen.
    Unglaublich.
    Bücher. Hunderte von Büchern – viele lagen quer auf den Regalen, damit mehr hineinpassten. Madame Blavatsky, Rudolf Steiner, Israel Regardie, Dion Fortune. Jüngere Taschenbücher drängten sich gegen vergilbende Wälzer über Meditation, Astrologie und die Kabbala. Wenn die anderen Schränke ebenso voll waren, dann standen in diesem Speicherzimmer mehrere tausend Bücher.
    Eine Bibliothek lebenslanger esoterischer Lektüre. Ein Hexenturm der verbotenen Literatur. Jane hätte man hier bestimmt nicht vor dem Morgengrauen hinausbekommen.
    «Sie wissen, dass ich Bücher in meinen Schränken habe», sagte Miss White, «allerdings gehen sie vermutlich davon aus, dass ich hier Kitschromane horte.»
    Merrily dachte daran, mit welcher Vorsicht sie Janes Guru, die verstorbene Lucy Devenish, beäugt hatte. Gott allein mochte wissen, was
dieses
alte Mädchen trieb, wenn abends die Lichter aus waren.
    Doch eines verstand sie nicht.
    «Miss White, ich   … Was tun Sie eigentlich an einem Ort wie diesem?»
    «Ja, genau, warum nicht das hübsche kleine Fachwerk-Cottage. Warum kein rosenumranktes Gartentor und die Persianerkatze auf dem Fensterbrett?»
    «So ungefähr.»
    «Weil ich dann, meine kleine Gottesfrau, die Rosen beschneiden und die Katze füttern müsste, und ich müsste Lebensmittel einkaufen und Handwerker bestellen, damit sie die alten Balken mit Holzschutzfarbe streichen. Hier habe ich viel mehr Freiheit   … innere Freiheit, meine ich hauptsächlich. Und außerdem wunderschöne Hügel zum Spazierengehen, falls ich mit der Natur in Verbindung treten will.»
    «Aber wie können Sie   …? Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll.»
    «Wie ich mich mit lauter gackernden alten Hühnern und der grässlichen Thorpe umgeben kann? Das ist doch nur das äußere Dasein. Die Thorpes glauben, ich hätte genügend Geld, um den ganzen Laden zu kaufen, also lassen sie mich in Ruhe. Na gut, wenn ich mich mal so richtig, richtig über sie ärgere, kann ich auch ein bisschen   … boshaft sein.»
    «Darauf wette ich.»
    «Während ich gleichzeitig» – Miss White lächelte fast engelhaft – «meinen Mitbewohnerinnen ab und zu einen höchst willkommenen, nostalgischen
Schauer
zukommen lasse.»
    Sein Name schien voll Heiterkeit durch den Raum zu schweben.
    «Sholto», sagte Merrily schließlich.
    «Mmmh.»
    «Wie machen Sie es?»
    Miss White suchte zwischen ihren Büchern herum, tauchte mit einem Klapphefter wieder auf und zog ein vergilbtes kartoniertes Foto heraus.
    «Das ist er?»
    Er trug einen Nadelstreifenanzug mit breiten Aufschlägen. Sein dunkles Haar war gewellt und sein Schnurrbart so schmal wie ein

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