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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ist er denn
Ihrer
Meinung nach?»
    Ein Abdruck? Ein Ruheloser? Eine Entladung? Das wären mal so ein paar Fachwörter aus der Exorzisten-Moderne, Miss White.
    «Ich sage Ihnen, was er
nicht
ist, Mrs.   Gottesfrau.» Sie erhob mahnend den Zeigefinger und runzelte unwillig die Stirn. Ihre Augen schienen fast mit den Brillengläsern zu verschmelzen. «Er ist nicht gefährlich. Er tut niemandem etwas. Also gehen Sie am besten wieder und vergessen Sie ihn schnellstens. In diesem Museum der Erinnerungen ist Sholto lebensnotwendig.»
    Merrily trank noch ein Schlückchen Whiskey. «Würde es Sie stören, wenn ich rauche?»
    «Ganz sicher würde es das! Reißen Sie sich zusammen. Wenn Sie in
Ihrem
Job noch nicht die Bedeutung der Willenskraft erkannt haben   …» Miss White streckte ihren mageren Hals vor, sodass sie an einen Vogel erinnerte. «Und was ist mit Ihrer Tochter los?»
    Willenskraft.
    Merrily fror. «Sie waren das, oder?»
    «Wie bitte?»
    «Etwas hat versucht, mich an der Segnung zu hindern. Das waren Sie, oder? Indem Sie Ihre   …
Willenskraft
benutzt haben.»
    «Ach, was für ein Unsinn!», schnaubte Miss White entzückt.
    «Bitte», sagte Merrily erschöpft, «erzählen Sie mir keinen Mist mehr, Athena.»
    Ein selbstzufriedenes kleines Lachen spielte um das Fallgitter ihrer winzigen weißen Zähne. «Warum fragen Sie sich nicht einfach selbst   … Wie heißen Sie übrigens mit Vornamen?»
    «Merrily.»
    «Also, Merrily, fragen Sie sich einfach selbst: War das, was Sie hier getan haben, angemessen? War es höflich?»
    «Wie bitte?»
    «Haben Sie um Erlaubnis gebeten? Nein, haben Sie nicht. Es war wie bei einer Razzia: Sie kommen in der Dämmerung und treten bei irgendwem die Tür ein. Es ist skandalös – wir sind schließlich keine Kriminellen, auch wenn wir hier im Gefängnis sitzen. Und was hat Sholto Falsches getan?»
    «Also, er   … er ist tot. Er sollte nicht hier sein.»
    Miss Whites vergrößerte Augen funkelten.
    Sie ist verrückt
, dachte Merrily. «Sehen Sie», argumentierte sie, «sollte er nicht die Freiheit haben, von hier wegzugehen? Darauf kommt es an. Und was ihn hier festhält – darauf kommt es auch an. Denn was ihn hier hält, ist doch nur   …»
    «Die unsterbliche Fleischeslust, darf man wohl annehmen. Vielleicht sind wir Teil seines Karmas. Hat in seiner Zeit eine Menge Herzen gebrochen, schätze ich. Und jetzt bleibt ihm für sein Vergnügen nur noch ein Haufen verschrumpelter Weiber. Das ist für ihn das reinste Fegefeuer, um in Ihren Worten zu reden.Aber wir sind alle viel zu alt, um noch verdorben zu werden. Sholto wird hier gebraucht, um die Phantasien der Leute zu beleben. Er ist nicht nur harmlos, er ist unentbehrlich, und damit basta. Ich passe schon auf, dass er nicht über die Stränge schlägt, keine Sorge. Sie können Thorpe erzählen, dass Sie ihn losgeworden sind. – So   … und jetzt reden wir über Ihr eigenes Problem, das vermutlich nicht so harmlos ist. Was tragen Sie mit sich herum?»
    «Was?»
    «Sehen Sie sich doch mal an, wie Sie sich vor Kälte krümmen. Sie ducken sich ja geradezu.»
    Unwillkürlich richtete sich Merrily so gerade auf, wie das auf dem Campinghocker möglich war.
    «Oh, hören Sie auf! Sie ducken sich
innerlich
vor etwas. So etwas können Sie vor mir nicht verstecken. Kommen Sie mal her.»
    Merrily stand auf.
    «Kommen Sie und setzen Sie sich aufs Bett. Los, ich tue Ihnen nichts!» Athena White glitt von dem Bett herunter, und nachdem sich Merrily daraufgesetzt hatte, beugte sie sich über sie und sah ihr tief in die Augen. «Ach je, Sie sind fix und fertig, was?»
    Merrily wurde mit einem Mal ziemlich schwach.
    «Kämpfen Sie nicht», sagte Miss White.
    «Das ist nicht richtig.»
    «Das ist überhaupt nicht richtig. Sehen Sie mich an – nein,
konzentrieren
Sie sich auf mich. So ist es schon besser. Ich will Ihr
inneres
Wesen sehen. Ich spüre, dass Sie normalerweise ziemlich stark sind, aber er hat Sie vollkommen ausgesaugt.»
    «Wer?»
    «Das müssen Sie mir sagen. Los. Sagen Sie mir seinen Namen.»
    «Ich weiß nicht, was Sie   …»
    «Sagen Sie mir seinen Namen: diese spirituelle Eiterbeule, die sich an Sie gehängt hat.
Wie heißt er?»
    «Denzil Joy.»
    «Das klingt schon besser», sagte Miss White.

36
Das Krähenmädchen
    Morgens um halb zehn waren James Lyden und seine Band aus dem Kellerstudio in der Breinton Lane geflogen. Lol beschloss, Dennys Zorn lieber aus dem Weg zu gehen, und sagte, er müsse jemanden

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