Mittwinternacht
«Meine Vorfahren.»
Ihre Stimme zitterte ein bisschen vor Stolz.
«Also ist der Hügel …», Lol zögerte, «… im heidnischen Sinn heilig.»
«Er ist heilig, ganz einfach.» Moon wandte ihm immer noch den Rücken zu. «Die Anlage stammt aus vorchristlicher Zeit. Über tausend Menschen hielten hier Schafe, lagerten Korn, sie haben Wolle gesponnen, gewebt und gefärbt. Es war vermutlich richtig idyllisch – eine Zeitlang.»
«Und was ist mit ihnen passiert? Mit dem Volk von Dinedor?»
«Manche von ihnen sind niemals fortgezogen. Und ihr Geist ist immer noch da.»
Moon ließ ihren Blick über die Stadt hinweg zu den Black Mountains und der walisischen Grenze in der Ferne schweifen. Dann drehte sie sich langsam zu Lol um.
«Und manche … von uns sind zurückgekehrt.»
Er sah Tränen in ihren Augen glänzen.
Und dann sah er das schwarze Ding, das sie an ihren Bauch presste.
Katherine Moon …
Dick Lyden, der Therapeut, hatte Lol drei Monate zuvor so ausführlich wie möglich informiert.
«Sechsundzwanzig. Ziemlich schlaues Mädchen, hat einen sehr guten Abschluss in Archäologie gemacht, aber leider ist sie äußerst labil. Liegt offenbar in der Familie. Ihr Bruder Denny ist noch der Vernünftigste von allen. Er sieht zwar aus wie ein New-Age-Typ, ist aber ein cleverer Geschäftsmann und steht mit den Füßen fest auf dem Boden der Tatsachen.»
Nach der Uni, hatte Dick gesagt, war Katherine ein paar Jahre lang als freie Mitarbeiterin bei verschiedenen archäologischen Grabungen in ganz England beschäftigt gewesen. Dabei hatte sie eine richtige Besessenheit für untergegangene keltische Völker entwickelt. Sie fing an, Gewänder im Keltenstil und merkwürdigen Schmuck zu tragen, rauchte zu viel Hasch und aß halluzinogene Pilze. Als sie nach Hereford zurückkam, war von der alten Katherine nichts mehr übrig; sie war zu Moon geworden und mehr als nur ein bisschen verdreht.
Die große Grabung im Bereich der Domfreiheit hatte sie zurück nach Hereford geführt. Und, vielleicht, der bevorstehende Tod ihrer Mutter – als hätte Moon gespürt, dass sie bald sterben würde. Ihre Mutter war nach Jahren des zeitweisen Aufenthalts inkostspieligen psychiatrischen Wohnstiften gestorben. Das war einer der Gründe dafür gewesen, dass Denny so viel gearbeitet hatte. Und jetzt sah es danach aus, als hätte er die nächste Kandidatin zu versorgen.
Aber Dennys Frau Maggie hatte eindeutig klargestellt, dass Katherine auf keinen Fall bei ihnen leben würde – sie erinnerte sich noch zu gut an das vorletzte Weihnachtsfest. Auch damals war Moon zurückgekehrt, hatte bei ihnen gewohnt, und Maggie hatte Moons Drogenversteck unter dem Bettchen des Babys entdeckt. Dieses Weihnachtsfest würde sie ihr Leben lang nicht vergessen. Also hieß es bei Maggie jetzt: «Gib ihr ihren Anteil am Erbe, dann kann sie es von mir aus mit Joints verpaffen, sich als Koks reinziehen oder als Heroin in den Arm spritzen … Aber halt diese verrückte Kuh aus unserem Leben raus.»
Es war kein Wunder, dass Maggie beinahe paranoid war. Schließlich schien Dennys Mutter nur deshalb psychische Probleme bekommen zu haben, weil sie in die Moon-Familie eingeheiratet hatte – man konnte fast glauben, dass so was ansteckend war.
Inzwischen war Katherine wieder ausgeflippt. Sie hatte sich von einem Dealer in Hereford ein bisschen Speed besorgt, war drei Tage lang in Pubs und Clubs herumgezogen und dann von der Polizei aus dem Verkehr gezogen worden, weil sie bei Next zwei Röcke gestohlen hatte. Daraufhin hatte Denny sie zu Dick Lyden gebracht, denn darin hatte eine der Bewährungsauflagen des Gerichts bestanden.
Denny hatte ihr eine Wohnung über einem seiner Geschäfte eingerichtet und vorgeschlagen, dass sie eine Zeitlang den Laden führen sollte. Er wusste, dass das keine ideale Lösung war – mitten im Stadtzentrum, in bequemer Nähe zu Pubs und Clubs und Dealern. Eigentlich wollte er sie woanders haben. Aber wo? Na ja, irgendwo, wo es sicher für sie wäre. Irgendwo, wo er sie nicht zuoft besuchen müsste, dann müsste er sich wegen Moon auch nicht mehr dauernd mit Maggie streiten.
Aber ganz bestimmt nicht auf dem Dinedor Hill. Nicht in einer Million Jahren. Und was diese verdammte Dyn Farm anging …
Wir müssen sie davon abhalten, Mann!
Denny hatte verzweifelt den Kopf in den Händen vergraben, als er davon hörte.
Das kann
sie nicht machen!
Doch Moon hatte das Geld aus dem Nachlass ihrer Mutter. Sie war schon bei
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