Mittwinternacht
ehrlichem Joggerschweiß und nach so was wie Holzrauch, was sie schockierenderweise daran denken ließ, wie lange sie schon keinen Sex mehr gehabt hatte.
«Ihr verstorbener Ehemann war Anwalt, oder?» Diese Frage riss sie so unvermittelt aus ihren Gedanken, dass sie ein bisschen Tee verschüttete.
«Ja.» Sie errötete. «Ich … ich auch. Das heißt, ich war dabei, Anwältin zu werden. Bis sich Jane ankündigte und sich noch ein paar andere Dinge in meinem Leben veränderten.»
«Ja, schrecklich», sagte der Bischof. «Es war ein Autounfall, nicht wahr?»
«Auf der M5. Er ist … gegen einen Brückenpfeiler gerast.»
Sie
waren an einen Brückenpfeiler gerast. Sean und Karen Adair, seine Sekretärin und Geliebte und Komplizin bei diversen Arrangements mit fragwürdigen Geschäftsleuten. Sie waren in einem Feuerball gestorben, während Merrily darüber nachdachte, welche Auswirkungen ihre unausweichliche Scheidung auf ihre Chancen haben würde, zur Priesterin geweiht zu werden, und Jane gerade in die höhere Schule kam. Wie viel von alldem wusste der Bischof? Alles vermutlich.
«Wissen Sie», das musste sie ihm einfach sagen, «die Sache istdie: Huws Einstellung, was die Ordination von Frauen angeht, gilt nicht für das Beratungsamt in spirituellen Grenzfragen – wussten Sie das? Er glaubt nicht, dass wir für all das heute schon weit genug sind.»
Er sah sie mit großen Augen an. Mit einem Mal wurde Merrily klar, dass er sie vermutlich gerade deshalb zu diesem Kurs geschickt hatte, weil er Huws Sympathie für weibliche Priester kannte.
«Nicht weit genug für all das?» Seine Augen verengten sich wieder. «Für was ‹all das›?»
«Er glaubt nicht, dass wir schon die notwendige Tradition aufgebaut haben, um es mit alldem … da draußen aufzunehmen.»
«Das klingt ziemlich absurd», Mick Hunter lehnte sich zurück, «finden Sie nicht?»
«Darum, was
ich
in dieser Sache denke, geht es nicht.»
«Nein, das stimmt. Unterm Strich kommt es darauf an, was
ich
denke. Die Berater für spirituelle Grenzfragen sind dem Bischof verantwortlich, und nur dem Bischof. Und
ich
denke – ohne dass ich damit eine positive Diskriminierung aussprechen will –, dass Frauen diese Aufgabe besser erfüllen können als Männer. Sie verlangt Gespür und Mitgefühl … Eigenschaften, die man Dobbs nicht unbedingt zuschreiben kann.»
«Ich habe … Ich habe versucht, mir darüber klarzuwerden, was genau Sie unter dieser Aufgabe verstehen.»
Mick Hunter rührte nachdenklich in seiner Teetasse. Ein paar Tische weiter saßen zwei gepflegte Damen mittleren Alters, die ihn unverhohlen beobachteten. Ein durchtrainierter Bischof – das war mal etwas ganz Neues.
«Also», sagte er. «Während Sie in Wales waren, haben wir ein paar Erkundigungen eingeholt. So eine Art kurzer Rundruf bei den Gemeindepfarrern, um uns über die Zahlen und Fakten zu informieren. Wussten Sie zum Beispiel, dass in den vergangenensechs Monaten allein in dieser Diözese bei der Kirche zwischen zwanzig und dreißig Bitten um Unterstützung wegen vermeintlicher übernatürlicher Zwischenfälle eingegangen sind?»
«Wirklich? Du meine Güte.»
«Und es nimmt zu.» Mick lächelte. «Wenn die Kirche ein Unternehmen wäre, würden wir das einen Wachstumssektor nennen.»
Dann berichtete der Bischof von offenkundigen Schwerpunkten übersinnlicher Erscheinungen, die sich bei der Untersuchung herauskristallisiert hatten – im Norden der Diözese war es am schlimmsten –, und Merrily dachte darüber nach, wie einen das Schicksal herumschubste und wie oft das Leben unvorhergesehene Wendungen nahm. Ob sie wirklich Anwältin geworden wäre, wenn sie nicht während des Studiums schwanger geworden wäre? Ob sie wirklich Pfarrerin geworden wäre, wenn Sean nicht gestorben wäre und sie nicht herausgefunden hätte, was für ein Gauner er war? Ob es sie jemals zur Schattenwelt der spirituellen Grenzfragen hingezogen hätte, wenn ihr eigenes Pfarrhaus in Ledwardine nicht von einer Wesenheit bewohnt worden wäre, von der außer ihr selbst niemand etwas mitbekommen hatte?
Sie fühlte sich aufs Korn genommen, entblößt. Am liebsten wäre sie aufgesprungen, zum Auto gerannt und hätte ein paar Zigaretten hintereinanderweg geraucht.
Stattdessen sagte sie: «Wovon genau reden wir eigentlich gerade?»
Der Bischof zuckte mit den Schultern. «In den meisten Fällen vermutlich über Paranoia, psychische Probleme, Einsamkeit, Isolation, Stress. Über
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