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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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angestrichen – die Felder zwischen den Fachwerkbalken leuchteten in unterschiedlichen Primärfarben. Falls jemals der Sachbearbeiter vom Denkmalspflegeamt auftauchen sollte, würde Jane sich eine sehr gute Erklärung einfallen lassen müssen.
    Merrily steuerte den Volvo um das kleine Auto herum und parkte in der Zufahrt. Obwohl sie oft von heißen Typen sprach, hielt sich Jane sehr zurück, wenn es um ihre eigenen Beziehungen zu Jungs ging. Merrily wartete mit einer gewissen Beklommenheit auf Janes
einzig Wahren
, denn ihre Tochter machte keine halben Sachen, und wenn sie sich zum ersten Mal richtig verliebte, wäre ihre Jungfräulichkeit vermutlich in null Komma nichts Vergangenheit.
    Deshalb war Merrily fast erleichtert, als sie die Haustür öffnete und Jane mit einem Mädchen in der gleichen Schuluniform vor sich hatte.
    Das Mädchen war älter, wenn auch offenbar nicht so
erfahren
wie Janes letzte Freundin, die unglückliche Colette Cassidy. Diese junge Frau wirkte ätherisch und hatte langes rotes, weichgelocktes Haar, das herumschwang, als sie sich umdrehte.
    «Oh, hallo. Ich wollte Rowenna gerade das Apartment zeigen.» Jane machte eine Geste in Merrilys Richtung. «Das ist Hochwürden Mom.»
    Das Mädchen kam zu ihr herüber und gab ihr tatsächlich die Hand.
    Jane setzte sich auf die Treppe. «Rowennas Dad ist beim SAS.»
    «Beim Militär», sagte Rowenna zurückhaltend. «Das ist wirklich ein unglaubliches Haus, Mrs.   Watkins. Eine tolle Atmosphäre. Man kann fast spüren, wie seine Erinnerungen in den Eichenbalken vibrieren. Ich habe gerade zu Jane gesagt: Wenn ich hier wohnen würde, dann würde ich vermutlich ständig herumlaufen und Balken umarmen oder so. Unser Haus ist ziemlich neu und langweilig, mit Einbauschränken und so weiter.»
    «Ich wette, es ist auch viel leichter zu heizen und sauber zu halten», sagte Merrily. «Wohnst du hier im Dorf, Rowenna?»
    «Na ja, mehr Richtung Credenhill oben, wo der Militärstützpunkt ist.» Rowenna zog eine Grimasse. «Ich wünschte, wir würden hier unten wohnen. Das ist ein komplett anderer Space. Die Vergangenheit ist richtig lebendig. Man kommt sich vor, als könnte man direkt in sie eintauchen.»
    «Genau», sagte Merrily. «Wenn man sich das wünscht.»
    «Ja», sagte Rowenna einfach. «Meistens wünsche ich mir das.»
    Merrily dachte, dass es ein ziemlich trauriger Befund für eine Gesellschaft war, wenn die jüngere Generation nicht die Welt verändern, sondern die Vergangenheit zurückholen wollte – irgendein goldenes Zeitalter, das es mit Sicherheit niemals gegeben hatte.
    «Oh, weißt du was?» Jane sprang auf. «Rowennas Dad geht laufen – nicht?   –, und zwar mit Mick Hunter.»
    «Na ja, ganz so ist es nicht.» Rowenna schien das ein bisschen unangenehm zu sein. «Der Bischof hat da so eine Abmachung getroffen   …Er macht mit ein paar von den Typen das Training zum Geländelauf mit. Das ist anscheinend nicht ganz vorschriftsmäßig. Ich soll eigentlich nicht darüber reden.»
    Meine Güte
, dachte Merrily,
er macht das Training bei der Spezialeinheit mit, das gibt’s doch nicht
.
    «Ist das nicht richtig cool?» Jane imitierte die Stimme von Rachel aus
Friends
.
    Merrily lächelte.
     
    «Sie ist ganz anders, als ich sie mir vorgestellt habe.» Rowenna setzte sich auf Janes altes Sofa und betrachtete die Mondrian-Wände. «Die meisten weiblichen Pfarrer sehen immer irgendwie schlampig aus. Aber mit dem Kostüm und den schwarzen Seidenstrümpfen und so weiter wirkt der Hundekragen bei ihr   … Ich weiß auch nicht, wie ein Mode-Accessoire.»
    «Klerikerschick», sagte Jane. «Aber sag ihr das bloß nicht. Sie hat nur aufgehört, die grässliche, knöchellange Soutane zu tragen, weil dieser Typ so angeturnt von der Vorstellung war, die ganzen kleinen Knöpfe aufzumachen.»
    «Welcher Typ?»
    «Ihr früherer Organist, dieser schleimige kleine Penner.»
    «Gibt es niemand Besonderen in ihrem Leben?»
    «Nur den alten Kerl da oben mit dem langen Bart – und den Bischof.»
    Rowenna warf ihr einen Blick zu.
    «Hey, das ist rein beruflich», sagte Jane. «Hoffe ich jedenfalls. Klar, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich, wow, das ist echt mal ein Spitzenexemplar, aber dann wurde mir klar, wie oberflächlich das ist. Abgesehen davon ist er verheiratet und hat Kinder.»
    «Hat das heutzutage noch was zu sagen?»
    «Tja, kann schon sein, dass er Lust hätte, Mom flachzulegen.Wenn es innerhalb der Geistlichkeit passiert, spart

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