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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ein Hund zu sein.
    Bis er die Pfarrerin von Ledwardine kennenlernte.
    Und sie war dann auch der Grund für ihn gewesen, aus dem Dorf wegzuziehen. Die Pfarrerin war schließlich eine sehr beschäftigte und angesehene Person, während er bloß ein jämmerlicher Gelegenheits-Songschreiber war, der von schlechten Einfällen und den Tantiemen längst vergangenen Erfolgs lebte. Er wusste nicht, ob sie geahnt hatte, wie er sich fühlte. Aber er war
sicher
, dass sie so einen Loser nicht brauchen konnte.
    Also hatte er ihr seine schwarze Katze überlassen und war nach Hereford gezogen, hatte seine paar Möbel eingelagert und eine Zeitlang in einem Pub mit Gästezimmern gewohnt. Wie sich herausstellte, war der Pub sowohl Dicks als auch Denny Moons Stammkneipe. Und das wiederum hatte zu diversen Sessions in Dennys Tonstudio sowie ein paar Therapiestunden bei Dick geführt, denn Lol fühlte sich immer noch nicht ganz im Gleichgewicht.
    «Meine Güte»
, hatte Dick eines Nachmittags gesagt,
«du kennst dich in diesem verdammten Metier besser aus als ich.»
Die detaillierten Psychiatriekenntnisse, die sich Lol in den Tagen, Wochen und Monaten seines Aufenthaltes in einer Klapse in Oxfordshire in der Personalbibliothek angeeignet hatte, faszinierten Dick. «Mal abgesehen von allgemein mangelndem Selbstbewusstsein ist das vermutlich dein Hauptproblem: Du bist so eine Art Mental-Hypochonder. Vielleicht solltest du mir mal eine Zeitlang helfen, die Diagnose bei anderen Leuten zu stellen, das könnte dich auf andere Gedanken bringen.»
    Verrückte übernehmen selbst die Therapie. Dick fand diese Idee sehr reizvoll. Lol mit all seiner Erfahrung würde eine andere Klientin – jung, unheimlich gutaussehend und ein wenig merkwürdig –ein bisschen im Auge behalten. Es gefiel Dick, wenn seine Klienten sich gegenseitig halfen und ihm das Gefühl vermittelten, dass es in seiner Praxis zuging wie in einer großen, glücklichen Familie. Hereford war nicht besonders groß, und Dick mochte es, wie Beziehungen und Verbindungen ein Eigenleben entwickelten, sich ausbreiteten wie Kletterpflanzen und damit auch ihn immer stärker in Hereford verwurzelten.
    Und deshalb hatte er Lol Katherine Moon vorgestellt – aber vielleicht auch ein bisschen deshalb, weil Dick nicht recht wusste, wie er mit Moon umgehen sollte.
     
    «Der Geist ihres Vaters», sagte Dick ruhig.
    «Zwei Mal.»
    «Aha.» Dick beugte sich vor. «Und jetzt überleg mal in aller Ruhe, Lol. Welche Wirkung hatte diese vermeintliche Erscheinung auf sie? Welche Art Erfahrung war das? Beruhigend? Beängstigend? Befreiend?»
    «Jedenfalls nicht beängstigend.»
    «Also, was haben wir: Mitten in der Nacht taucht ein Männergesicht vor dem Fenster auf. Und eine junge Frau ganz allein in einer Wohnung, die sie noch nicht besonders gut kennt   … und sie bekommt keine Angst. Was sagt uns das?»
    «Sie meinte, er hätte ängstlicher gewirkt als sie selbst. Beunruhigt und verwirrt. Sie dachte, er hätte sie nicht erkannt. Hätte nicht gewusst, wer sie ist.»
    «Interessant.»
    «Sie hat gesagt, sie wollte ihm sagen, dass alles in Ordnung ist.»
    Dick drehte die offenen Handflächen nach oben. «Moon als Heilerin.»
    «Sie möchte, dass er seinen Frieden findet.»
    «Und wenn er ihn findet, dann findet sie selbst ihn auch»,sagte Dick. «Ich sehe da wirklich kein Problem. In Moons Unterbewusstsein scheint doch alles zufriedenstellend vor sich hin zu köcheln. Sie findet eine tote Krähe und spricht dem armen Vogel alles zu, was sie von keltischer Krähen-Überlieferung weiß. Die Krähe wurde ihr von den Ahnen gesandt, um ihr den
Blick
zu verleihen. Und? Was sieht sie als Erstes?»
    «Das ist sehr gut, Dick.»
    «Das ergibt Sinn, mein Junge. Hier geht es um
Zugehörigkeit
, oder? Sieh mich an! Ich habe das Gefühl, in dieser Stadt meine spirituelle Heimat gefunden zu haben – auch wenn sie nach London geradezu winzig ist, und
durchschaubar
. Ruth meint immer, ich hätte mich in diese Stadt verliebt. Aber ein Hügel, in einen Hügel kann man sich noch viel leichter verlieben, oder?» Dick richtete seinen Blick aus dem Fenster. «Ich weiß nicht mal genau, welcher es ist.»
    «Der mit den vielen Bäumen.»
    In der Nachmittagssonne wirkte der Wald wie eine goldene Rinde auf einem langgestreckten Brotlaib.
    «Hmm.» Dick drehte sich wieder zu Lol um. «Nicht besonders beeindruckend, oder? Und dort war die erste Ansiedlung in dieser Gegend? Dann könnte man diesen Hügel die
Mutter
von Hereford

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