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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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seinem Sohn erzählt, oder? Diesen Bischof-für-einen-Tag-Blödsinn – und dass der Junge nicht mitspielen will.»
    Lol nickte misstrauisch. «Wenn sie mir mit sechzehn gesagt hätten, ich wäre als Kinderbischof ausgewählt worden, hätte ich vermutlich alles getan, um noch rechtzeitig aus der Kirche ausgeschlossen zu werden.»
    «Dieser Junge geht in die Cathedral School», sagte Denny. «Dafür zahlt sein Vater einen Haufen Geld, und er will sich garantiert nicht von seinem Söhnchen vor sämtlichen Honoratioren dieser wunderschönen Stadt blamieren lassen.»
    Lol holte zwei Dosen Bier aus dem Kühlschrank, während Denny den Plan erklärte. Dick wollte sein Ansehen offenbar durch Bestechung retten: Wenn James für diesen einen Tag sein Atheistentumvergaß, würde Dick eine professionell produzierte CD für James’ Rock-Band bezahlen.
    Lol zuckte zusammen. «Wie heißen die?»
    «Unmusikalische Boys mit Fender Toys. Was weiß ich, ist doch auch egal. Ich habe ihm gesagt, dass du es machst, Lol.»
    «Ich?»
    «Du produzierst die CD. Wirst natürlich dafür bezahlt.»
    «Vergiss es.»
    «Laurence, es geht doch nur um ein Minialbum. Vier Titel – das sind höchstens zwei Tage Arbeit. Auflage einhundert, damit kriege ich nämlich auch ein bisschen Geld rein. Das wird heute überall so gemacht – sonst könnte schließlich kein Mensch mehr ein Studio unterhalten. Ich hab schon für dich zugesagt. James
kennt
deine Sachen. Er
mag
deine Sachen sogar.»
    «Und nur mal angenommen, ich finde
seine
Sachen grausam?»
    «Ich wusste es», sagte Denny. «Bist doch ein echter Kumpel. Ich habe gesagt, wir hören uns ihr Material morgen Nachmittag mal an. Okay? Gut. Und ich freue mich für Kathy und dich. Wirklich. Ich würde wirklich alles dafür tun, alles dafür geben, dass sie hier weggeht. Aber wenn sie in der Zwischenzeit nicht allein ist, dann ist es das Beste, worauf ich unter diesen Umständen hoffen kann.»
    Lol sah Denny an. «Was hat sie gesagt?»
    «Ich bin ihr Bruder», sagte Denny. «Sie muss mir überhaupt nichts sagen.»
    Später, nachdem Denny gegangen war, begann es leicht zu schneien.
    Lol stand in der Dämmerung am Fenster und sah auf die Church Street/​Capuchin Lane hinunter. Die Jahrhunderte schienen sich zusammen mit dem Tageslicht aufzulösen. Es schneite inzwischen stark, alle Geschäfte hatten geschlossen, und die meisten Passanten waren fort. Wenn er sich hochreckte, konnte er dieschwärzliche Turmspitze der Kathedrale sehen. Unter ihm schob ein Jugendlicher seine Freundin sanft in einen Hauseingang und begann sie zu küssen.
    Lol dachte an Moon in ihrem dünnen weißen Nachthemd.
    «Wenn sie nicht allein ist   …»
     
    «Verdammt, so was hatte ich nicht erwartet.» Rowenna war als Erste reingegangen, und als sie wieder herauskam, zog sie Jane zur Tür.
    «War sie gut?»
    «Allerdings.»
    «Wie viel?»
    «Zwanzig. Ich habe schon für dich bezahlt.»
    «Das wollte ich nicht. Ich bin nicht   …»
    «Geschenkt. Los, lass sie nicht warten. Sonst verflucht sie dich womöglich.»
    «Shit», sagte Jane.
    «Das war ein Witz.»
    «Klar.»
    Um ehrlich zu sein, mochte sie Wahrsagerinnen überhaupt nicht. Was, wenn diese Frau ihr sagte, dass sie bald sterben würde? Oder Mom? Nicht dass sie das jemals taten; sie sahen einen bloß traurig an und sagten:
Bitte, nehmen Sie Ihr Geld zurück. Irgendwie ist mir plötzlich ein bisschen schlecht geworden   …
Und dann wusste man, dass sie ihr Handwerk verstanden und dass man dran war.
    «Los», zischte Rowenna.
    Die Kabine war nichts weiter als eine Sitznische, die vom Pub durch eine Rattanwand abgetrennt war.
     
    ANGELA. TAROT-KARTENLEGEN
     
    Rowenna hatte es mit Tarot ausprobieren wollen, weil sie sich damit selbst ein bisschen auskannte, also würde sie feststellen können, ob Angela eine Hochstaplerin war.
    O Mist.
Was Jane ebenfalls nicht leiden konnte, war, über sich selbst und ihre Zukunft andere bestimmen zu lassen. Was immer ihr diese Frau sagte, würde irgendwie klebenbleiben, ihre Träume beeinflussen, in ihren Albträumen eine Rolle spielen. Das war eindeutig
nicht
Janes Vorstellung von New Age, bei dem es schließlich um Selbsterkenntnis ging, oder?
    «Jane   …»
    «Ja, schon gut.»
    Sie konnte keinen Rückzieher mehr machen. Jane drückte sich hinter die Trennwand.

17
Weise Frauen
    Angela lächelte.
    «Du wirkst beunruhigt», sagte sie. «Woran liegt das?»
    «Ich bin nicht beunruhigt.»
    «Dafür gibt es auch keinen Grund. Hast du vorher

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