Mittwinternacht
Ekel gezittert. War richtig traumatisiert. Soll ich dir sagen, was ich glaube? … Ich glaube, dass dieserMann einem das Gefühl geben konnte, vergewaltigt zu werden; er konnte in den Körper einer Frau eindringen, indem er nur daran dachte, was er ihr antun wollte. Und das hat sich dann mit seiner Krankheit und seinem Frust vermischt. Die Krankenschwestern waren überzeugt davon, dass er besessen war.»
«Grusel.»
«Ach Quatsch, Grusel! Richtig gefährlich war das, wenn du mich fragst. Und der Bischof schickt sie einfach, ohne nachzudenken, zu diesem bösartigen Drecksack, bloß weil sie Pfarrerin ist und Pfarrer angeblich wissen, was in so einem Fall zu tun ist. Aber echt – ist sie auf so was richtig vorbereitet? Weiß sie, was sie tut? Von wegen, verdammt. Okkultmäßig ist sie vermutlich genauso naiv wie diese Idiotinnen mit ihrem Reif der Selene. Ich könnte ihr garantiert einiges beibringen – um ihr zu helfen, verstehst du –, allerdings bezweifle ich, dass sie mir überhaupt richtig zuhören würde.»
«Jane», sagte Rowenna, «jetzt pass mal auf. Du kannst andere Leute nicht ändern – nur dich selbst. Die Gewinner im Leben sind unterm Strich immer diejenigen, die sich weder von Gott noch von der Natur oder dem Bischof was vorschreiben lassen, weil sie sagen:
Ich
bestimme in meinem Leben, wo’s langgeht.»
«Stimmt», sagte Jane. «Stimmt genau.»
«Und es ist super, wenn man das jung genug begreift, um noch was damit anfangen zu können – so wie wir, verstehst du?»
Natürlich verstand Jane. Wenn jemand wie Rowenna, die schon ein bisschen älter und außerdem total cool war, einem so was sagte, dann bedeutete das irgendwie eine Verantwortung. Man merkte, dass man etwas daraus machen musste.
Sie warf ihren Pappbecher in einen Mülleimer. «Lass uns raus aus diesem Vergnügungspalast.»
«Gute Idee», sagte Rowenna. «Suchen wir nach den richtigen Sachen.»
«Was?»
«Das hier ist nur Fassade. Die richtigen Hochleistungswahrsager sind im Pub in den Hinterzimmern.»
«Willst du zu einem Wahrsager?»
«Na ja, man kann ihnen ja mal auf den Zahn fühlen – feststellen, ob sie was draufhaben. Und wenn nicht, haben wir zumindest was zu lachen.»
«Da zahlen wir uns vermutlich dumm und dämlich.»
«Normalerweise lassen sie einen selbst bestimmen, was man bezahlt. Hey …» Sanft strich Rowenna eine Haarsträhne aus Janes Gesicht und sah ihr in die Augen. «Du hast doch keine Angst, oder?»
«Quatsch», sagte Jane. «Jetzt lass uns endlich gehen.»
Lol war zweimal unten im Laden gewesen. Beim ersten Mal hatte er feststellen wollen, ob Moon Hilfe brauchte, aber sie hatte ihn mit der Erklärung weggeschickt, dass er sich die Arbeit in einem Plattenladen vielleicht ein bisschen zu einfach vorstellte. Beim zweiten Mal hatte er gefragt, was sie in der Mittagspause vorhatte – Moon hatte sich zwei Äpfel und eine Banane mitgebracht.
Moon betonte sehr, dass es ihr gutging. Dick Lyden sagte ebenfalls, dass es ihr gutging. Falls Dick sich über irgendwen Sorgen machte, dann vermutlich eher um Lol, der behauptet hatte, Moon würde in der Scheune im totalen Chaos leben, aber Dick hatte sich bei seinem Besuch wie in einer Vorstadtvilla gefühlt, und Moon hatte gewirkt, als sei sie drauf und dran, Kanapées zu servieren.
Auch Denny hatte wesentlich entspannter ausgesehen, als er im Apartment vorbeischaute.
«Es kommt mir beinahe so vor, als wäre sie geheilt», sagte er. «Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?»
Lol zuckte mit den Schultern. Was konnte er dazu sagen, ohne Geister oder ausgenommene Krähen zu erwähnen?
«Hör mal, mich stört das nicht.» Denny warf sich in den Sessel. «Alles sieht gut aus. Ich bin froh, okay?»
«Sie arbeitet an ihrem Buch.»
«Buch? Oh.» Denny wirkte desinteressiert und dennoch leicht beunruhigt. «Daraus wird doch sowieso nichts, oder?»
«Kann man eure Familiengeschichte wirklich bis in die Eisenzeit verfolgen?»
Dennys Lächeln erlosch. «Kann sein.»
«Ist das ein keltischer Name – Moon?»
«Keine Ahnung. Wir hießen nicht immer Moon. Im achtzehnten Jahrhundert hat eine Tochter den Hof geerbt und einen Typ namens Moon geheiratet …» Denny zupfte an seinem Ohrring. «Übrigens gibt es etwas, bei dem du mir helfen musst, Kumpel.»
«Für verstopfte Abflüsse bin ich nicht zuständig. Du bist hier der Vermieter, Dennis.»
«Wenn es so einfach wäre. Es geht um etwas richtig Nerviges. Dick Lyden hat dir doch die Sache mit
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