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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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viel zu teuer.
    «Geschmacksverirrung.» Sie nippte an ihrem schlammbraunen Kaffee im Pappbecher. «Massive Geschmacksverirrung, Rowenna.»
    Sie standen in einer kalten Ecke an einem Tapeziertisch, auf dem grellbunte Heilkristalle von einem übergewichtigen Paar mittleren Alters mit Pudelmützen im Partnerlook bewacht wurden. Von einem Endlosband dudelte nervige Entspannungsmusik aus kleinen Lautsprechern.
    «Sorry.» Rowenna sah sich um. «Die letzte Eso-Messe, zu der ich gegangen bin, war nicht so schlecht, ehrlich. Oh, da drüben gibt’s Kirlianfotografie. Da kannst du deine Aura fotografieren lassen.»
    «Hast du das schon mal gemacht?»
    «Einmal. Ich hab ein Bild von meiner Hand bekommen, auf der sie aussah, als würden kleine Flammen aus den Fingerspitzen kommen.»
    «Und was hat man davon?»
    «Den Beweis, dass man eine Aura hat.»
    «Wenn du keine Aura hättest, wärst du sowieso tot.»
    «Ich bin froh, dass ich deine heute nicht sehen kann», sagte Rowenna. «Ist garantiert total dunkel und negativ. Hast du Probleme an der Mom-Front, oder was?»
    «Hör bloß auf.»
    «Mir kannst du alles erzählen, Kleine.» Rowenna tippte Janemit ihrem Zeigefinger auf die Nasenspitze. Auf ihrem wallenden roten Haar saß ein schwarzes Samtbarett. Ihr Mantel sah verdächtig nach Kaschmir aus. Sie wirkte viel zu cool und gestylt für diesen Ramschbasar.
    «Na ja, ich habe mit diesem Typ geredet.»
    «Typ?»
    «Ein Typ, von dem ich sicher bin, dass er mal total auf Mom abgefahren ist, und   …»
    «Oh, deine Mom. Und was war mit ihr?»
    «Ach, ich weiß nicht genau. Ich habe eben einfach gedacht, dass sie gut zusammenpassen würden. Er ist ziemlich unsicher und verletzlich, aber auch richtig cool. Er war Musiker und hat Songs geschrieben, als er jung war – zu jung vielleicht   –, und dann ist er irgendwie auf die schiefe Bahn geraten, mit Drogen und so, und am Schluss ist er in der Psychiatrie gelandet.»
    «So kann’s gehen.»
    «Und zwar schneller, als man denkt. Egal, ich mag sowieso keine Typen, die zu selbstbewusst und von sich überzeugt sind, du etwa? So ein bisschen Schwäche kann durchaus sexy sein.»
    Diese Einstellung schien Rowenna nicht übermäßig zu beeindrucken. Aus den Lautsprechern drang unendliches Brandungsrauschen – was in einem feuchtkalten Zelt auf einem zugigen Feld bei Leominster ziemlich bescheuert rüberkam.
    «Ich hab Lol also erzählt, dass Mom jetzt Exorzistin ist, wie in diesem Film mit dem besessenen Mädchen, das grüne Kotze rumspuckt   … und mit diesem abgebrühten Jesuiten, der selber nicht weiß, wie er mit dem Dämon klarkommen soll   …»
    «‹Fahre in mich   … fahre in mich›», intonierte Rowenna. «Und dann stürzt er sich aus dem Fenster. Glaubst du, es läuft wirklich so?»
    «Dieser Job ist wirklich megakrank», sagte Jane. «Lauter Albtraumzeug – und zwar ohne Vorwarnung, verstehst du?»
    «Wahrscheinlich übertreibst du nur unheimlich, ich glaub das alles nicht.»
    «Dann lass es eben bleiben. Ich soll sowieso nicht darüber reden.»
    «Jetzt sei doch nicht so. Wenn du mir einen echten Fall erzählst, dann kauf ich dir einen Reif der Selene.»
    «Da musst du dir was Besseres einfallen lassen. Zum Beispiel, mir ganz bestimmt nie im Leben einen Reif der Selene zu kaufen.» Wahrscheinlich war es o.   k., von dem Typ zu erzählen, wo er doch tot war und alles. «Na gut. Da liegt also so ein widerlicher Vergewaltigertyp im Krankenhaus – so ein Schleimbolzen, der einen Steifen kriegt, wenn er Frauen erniedrigt – und ist gerade dabei abzukratzen.»
    «Verstehe», sagte Rowenna.
    «Aber seine abartige Sexmanie ist er immer noch nicht los. Sie liegt wie ein schmieriger Fettfilm auf seiner Haut.» Jane erschauerte. «Das hat sie mir natürlich nicht
so
erzählt, aber ich konnte es mir zusammenreimen. Also weiter: Die Krankenschwestern haben eine Scheißangst vor diesem Perversling, weil er nämlich eine total verdorbene Aura hat.»
    «Wie hieß der Kerl denn?»
    «Mr.   Joy. Das ist der Hammer, oder?»
    «Gib’s zu, du servierst mir hier mehr Dichtung als Wahrheit.»
    «
Überhaupt
nicht! Er hieß Denzil Joy, er lag auf der Watkins-Station, ganz oben in dem alten, unheimlichen Trakt des Krankenhauses, und die Krankenschwestern hatten richtig Angst vor ihm. Dazu gehört schon was, bei dem, was Krankenschwestern jeden Tag zu sehen kriegen.»
    «Was hat er getan?»
    «Das wollte sie mir nicht erzählen, aber ich kann dir sagen: Sie hat noch Stunden später vor

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