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Mobile Röntgenstationen - Roman

Mobile Röntgenstationen - Roman

Titel: Mobile Röntgenstationen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ATHENA-Verlag e. K.
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Und dann beging ich den vielleicht größten Fehler in meinem noch kurzen Leben: Ich grinste verständnisvoll und salutierte dem unter der nackten Blonden schnaubenden Taktiklehrer! Natürlich verzichtete ich auf eine militärische Grußerweisung, wie sie in der Fakultät gelehrt und sogar gefordert wurde. Weder schlug ich stramm die Hacken zusammen noch legte ich die Hand an den nicht existierenden Mützenschirm. Ich lächelte einfach nur einvernehmlich, nickte mit dem Kopf, dann schlug ich mich zum Schiff durch, das beinahe ohne mich abgefahren wäre. Und ich spürte eher, als dass ich sah, was sich hinter mir abspielte: Stepaškin schleuderte die Blondine von sich, mit einem Satz war er auf den Beinen, und ich drehte mich um. Er, splitternackt, tastete gerade nach der Stelle, wo sich sonst das Futteral für seine Makarov-Pistole befand. Aber ich war bereits zum Dampfer unterwegs, nur ein Vstretimsja my eščë, sukin ty syn! [18] erreichte mich, dazu das hysterische Gejammer des Mädchens: Lëša, Lëša, čto ty! [19] Stepaškin hatte sich nicht geirrt, wir trafen uns einige Wochen später, diesmal im Auditorium beim Taktikunterricht, vor der Abbildung eines Schlachtfeldes, und sein Blick sagte mir ganz klar: Ich habe nicht vergessen und werde nicht verzeihen. Deshalb erzählte ich später, als ich bereits von der Uni geflogen war, in Bierkneipen und billigen Büfetts zahlreichen Bekannten offen und unverblümt die erwähnte Sommerbegegnung, die ich sogar noch ausschmückte, verdichtete und mit neuen Details anreicherte. Aus einem Zufall war eine vom Schicksal diktierte Groteske geworden. Am seltsamsten war, dass Lucija nicht einmal lächelte, nachdem ich, von jenem Ausflug zurückgekehrt, ihr feixend noch in derselben Nacht alles erzählt hatte. Lucija blickte irgendwohin in die Dunkelheit und sagte: Sie tun mir Leid. Als Menschen! Dann drehte sie sich zur Seite und war eingeschlafen. Ich war beleidigt. So mitfühlend! Mit mir solltest du Mitleid haben, Stepaškin kennst du doch gar nicht! Jetzt denke ich schon lange nicht mehr, dass diese schreckliche Begegnung im Dschungel am Flussufer der wichtigste Grund für mein akademisches Desaster war. Ganz sicher nicht. Auch ohne diese Sache reichten Stepaškin hundert andere Gründe. Lehrstuhlleiter Wilenski stimmte ihm aus ganzem Herzen zu: Exmatrikulieren! Mein Dossier war recht solide. Und dennoch war ich enttäuscht, als der Prodekan der Fakultät, ein eleganter und toleranter Mann mit welligem, honigfarbenem Haar, von allen geliebt und selbst das Leben liebend und fast immer lächelnd, mit seiner obligatorischen Unterschrift mir gleichfalls den Weg verbaute zu den lichten Höhen der Wissenschaft: Hochschulbildung, mein Sohn, so ließ er mich wissen, ist heute nicht Pflicht! Und schwerlich wird sie es irgendwann sein! Natürlich, nachdem das Rektorat und Wilenski meinen Rausschmiss abgesegnet hatten, würde keine Intervention aus dem humanwissenschaftlichen Bereich mich noch retten können, aber dennoch war es traurig. Ach, diese Scheißmilitärs, hätte er doch wenigstens murmeln können. Oder etwas Ähnliches. Aber das tat er nicht. Und mir jagte die nun drohende Einberufung einen solchen Schrecken ein, dass ich Mut fasste und mich in die Poliklinik für Studenten begab, in der naiven Hoffnung auf akademischen Urlaub. Mochten sie dort feststellen, dass ich verrückt sei, bitte sehr! Hauptsache, ich brauchte keine Soldatenstiefel und keine Soldatenjacke anzuprobieren. Ein hoch gewachsener Doktor, schwarzhaarig wie ein Georgier, nannte mich dort sogleich einen Deserteur und Saboteur, wagte sogar, mich als Missgeburt zu bezeichnen, was mir beinahe gefiel. Missgeburten werden doch nicht eingezogen! Nein, er versprach, umgehend Wilenski persönlich von meiner Visite zu berichten, offenbar war er gut mit ihm bekannt, dann jagte er mich wie einen Hund hinaus. Doch zu dieser Zeit hatte ich bereits einen wenn auch provisorischen Friedensvertrag mit Elli geschlossen. Die fing sogar an zu heulen, als sie von meinem grausamen Schicksal erfuhr, um gleich alles ihrem Vater zu erzählen, einem zweitklassigen Schauspieler am Akademischen Dramentheater. Der Alte mochte mich nicht, meine Studienrichtung missfiel ihm, die unten ausgefransten Hosen. Sicher ahnte er auch, dass Elli und ich uns im Wohnzimmer auf dem Sofa vergnügten, während er sich in den Proben abrackerte oder mit einem Koffer in der Hand von einem Kommissionsgeschäft zum anderen unterwegs war, er hatte so eine

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