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Mobile Röntgenstationen - Roman

Mobile Röntgenstationen - Roman

Titel: Mobile Röntgenstationen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ATHENA-Verlag e. K.
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und Zäpfchen! Und ich wusste doch, wenn sie nach Hause kam, würde sie es mit Genugtuung allen erzählen: Das musste ja einmal kommen! Ja, Hämorrhoiden hat er sich zugezogen, im letzten Stadium, bedauerlich, klar. Und mir redete sie härtnäckig ein, dass ich sogar stolz sein könne, denn an Hämorrhoiden erkrankten besonders häufig mit intellektueller Arbeit beschäftigte Männer. Nichts mit Homosexuellen. Natürlich könnten auch die erkranken, aber direkte Verbindungen gebe es da nicht. Trieb mich in schwärzeste Verzweiflung, diese Glucke. So gebildet war sie, dass sie sogar Männer von Weltruf aufzählte, die an dieser Krankheit litten: Homer, Napoleon, Churchill, selbst Lev Tolstoj. Tolstoj? Doch wer weiß. Des weiteren: Alexander von Mazedonien, klar, vom ewigen Herumrutschen im Sattel! Dante, fast alle schriftkundigen Mönche, Johannes Gutenberg und so weiter … Jogaila erwischte es, Lenin, Mussolini, was sie verständlicherweise geheim hielten, erst nach ihrem Tod stellte es sich heraus. Stefanija versprach, selbst diese Zäpfchen für mich zu besorgen. Du Dummer schämst dich ja wieder, in der Apotheke um welche zu bitten. Nun riss mir endlich der Geduldsfaden. Ich hab überhaupt nichts , fuhr ich sie an, selber dumm ! Sie seufzte nur, lächelte mitleidig und ließ mich schließlich in Ruhe.
    Ein andermal schritt ich mit sorgenvoller Miene den Prospekt hinunter, bog in die verregnete, graue Altstadt ein – und wäre bald mit einer strahlenden Lucija zusammengestoßen! Sie fiel mir um den Hals, küsste mir beide Wangen, drückte mir beide Hände und konnte sich über zwei Dinge nicht genug wundern: Wo kommst du plötzlich her? Und: Warum hab ich dich gehen lassen?! Offenbar war sie überzeugt, dass nur sie schuld sei. Und dass ich mich sicher noch gar nicht erholt hätte von diesem Schlag im Sommer. Jetzt durfte ich mich laben an diesem herzlichen Mitgefühl mit mir, dem schmerzlich Enttäuschten. Das spürte ich und wollte noch eins draufsetzen, indem ich ihr meine traurige Geschichte erzählte. Dass ich mir jetzt beinahe wie ein Aussätziger vorkam. Lucija lachte schallend, und mir wurde leichter. Ihr Lachen war ansteckend, es schüttelte mich regelrecht, aber ich wusste: Bin ich erst wieder allein, wird mich die Unruhe von neuem heimsuchen.
    Heute wage ich schon nicht mehr zu behaupten, dass die vermeintlichen Hämorrhoiden der einzige Grund waren, warum ich nach den Semesterferien nicht mehr an die Alma Mater zurückkehrte, um das bereits zur Hälfte absolvierte Studium fortzusetzen. Gewiss, auch sie spielten ihre trübe Rolle, aber in Wahrheit wollte ich überhaupt nicht studieren. Jener Slogan: Der weiß selber nicht, was er will! – er passte auf mich wie auf keinen anderen. Apathie, Ruhelosigkeit, Wunschträume, nicht ausgelebte Gefühle, Aufruhr der Hormone und abermals Apathie. Ein tristes Gefühl, wenn sich all das verheddert und verknäult. Und einem dann noch mangelndes Verantwortungsgefühl vorgehalten wird. Hatte ich doch selbst eine Seminararbeit geschrieben mit dem Titel: »Das Problem der persönlichen Verantwortung in Wolfgang Borcherts Stück Draußen vor der Tür «. Armer Beckmann. Poor Jorick. Das galt mir: Er will leicht leben, den Röcken nachlaufen. Auf mich traf es zu: Wie konnte es so weit kommen? Und was gedenkst du weiter zu tun? Ich hörte mir alles an, stimmte den Vorwürfen und Argumenten zu und tat weiter das meine: lebte leicht, rannte den Röcken nach, hockte in zweitklassigen Cafés, schlenderte durch die Stadt und, mochten sie platzen vor Wut, fühlte keinerlei Verantwortung! Es verlangte mich sehr danach, sie zu fühlen, da gab es Gewissensbisse, ich litt. Aber jene Türe, die ins eigene Innere führte, war längst ins Schloss gefallen, der Schlüssel hatte Rost angesetzt. Ich würde es nicht mehr schaffen, sie aufzustemmen, auch wenn ich dazu eisern entschlossen wäre. Aber ich wollte gar nicht.
    Auf dem Hochseil gehst du, zu weit,
    Gehst gewendeten Zeichen entgegen,
    Verdüsterung weit und breit,
    Als stünde eine Frau im Regen.
    Das werden wir nicht drucken. Er sagte es mir klipp und klar, so ein Kleinwüchsiger, welliges Haar, angenehmes Gesicht. Woher all diese Verzweiflung, junger Mann? Sieh aus dem Fenster! Tatsächlich, vom Fenster der Redaktion war zu sehen, wie eine mechanische Abrissbirne wütend eine alte Hauswand bearbeitete. Dort wird ein neues Gebäude entstehen, dozierte der Kleinwüchsige, dann zitierte er spöttisch noch ein paar Verse von

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