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Mobile Röntgenstationen - Roman

Mobile Röntgenstationen - Roman

Titel: Mobile Röntgenstationen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ATHENA-Verlag e. K.
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Zwillinge, und ich faselte etwas von der Strafkolonie Veliučioniai, der Inkubationsperiode der Tuberkulose, dem Krankheitsverlauf, den bereits erkämpften Siegen; nur einem Irren konnte so was einfallen! Natürlich, im tiefsten Inneren glaubte ich selbst nicht, was ich da von mir gab, aber für sie musste es wirklich bitter sein. Sie hing sehr an mir. Und ihr reichte ein gesunder suvalkischer Verstand.
    Weißt du was? Sie hatte sich ein wenig beruhigt und blickte irgendwohin zur Seite, es wurde bereits hell. Steck dir deine Tuberkulose sonst wohin, am besten neben dein Paradies ! Ich verstand die Anspielung, wollte aufflammen wie ein Streichholz, aber das zischte nur kurz und erlosch, ohnehin hätte es nichts genützt.
    Korrekt und langweilig, wenn auch verspätet, erklärte mir Danielė dann, dass jeder normale Mann ohne weiteres die militärischen Übungen an der Uni aushalten könne, die möglichen Schikanen und der Drill dort seien doch gar nicht mit der richtigen Armee zu vergleichen. Warum halten andere es denn aus? Selbst ganz kaputte Typen halten es aus.
    Siehst du, Danielė, ich war etwas versöhnlicher gestimmt, versuchte alles schon friedlich zu erklären, andere, reg dich jetzt nicht auf, sind eben Philologen, nichts weiter. Eine Menge davon kenne ich. Lehrer will nicht einer von ihnen werden, die gehen sonst wohin, allein in der Gefängnisverwaltung arbeiten fünf Lituanisten, die ich kenne. Aber darum geht es nicht. Auch die Lebensziele sind ganz andere. Und ich bin auch noch Schriftsteller, ein schöpferischer Mensch, klar? Was macht es, dass ich unbekannt bin, abgelehnt werde. Darauf pfeif ich. Früher Ruhm schadet nur, davon bin ich überzeugt. Wie viele gibt es mit einem Buch, und dann schreiben sie das ganze Leben lang nichts mehr, nicht eine Zeile, kannst du dir das vorstellen? Ich gehöre nicht zu dieser Sorte, das kannst du mir glauben. Ich bewerte mein Talent nüchtern. Und außerdem begreifst du eine andere Sache nicht, mein Schatz. Diejenigen, die jetzt Wilenski und Stepaškin gehorchen, nehmen sie auch in die Armee! Nur bereits als Diplomierte. Die werden Offiziere. Meinst du, ich will Offizier der Sowjetarmee werden? Nein danke. Wenn, dann schon lieber als gewöhnlicher Soldat. Du weißt, wie man sagt: čistyje pagony, čistaja sovest’! [30] So sieht es aus. Ich will nicht. Und ich sag dir noch was, Danielė. Weil du aus guter Familie kommst, in Irkutsk geboren bist. Solche wie mich hassen sie besonders. Direkt kommen sie nicht an mich ran, das macht sie noch wütender. Und mich würden sie nehmen, selbst wenn ich die Universität mit Auszeichnung beendete. Man würde mir den Rang eines Leutnants verpassen und mich nach Baku oder Archangelsk schicken. Oder nach Murmansk, noch besser. Würdest du mit mir zusammen hinfahren? Warum eigentlich nicht? Deutschlehrer fehlen im ganzen Imperium! Wir würden irgendwo in einer Jurte oder einer Lehmhütte hausen, mit unseren Zwillingen. Oder in einer dieser Garnisonsstädte, untergebracht wie im Wohnheim. Du würdest mit den Offiziersfrauen tratschen und ich Wodka mit den Waffenbrüdern schlürfen, wie wäre das?
    Und wieder hörte sich die unglückliche Danielė meinen Monolog an. Nicht eben angenehm waren ihr diese Reden, obwohl man auch nicht sagen konnte, dass meine Argumente völlig falsch waren. Sie hatte sogar schon ihre Mädchensachen gepackt, die Kleider, das Bügeleisen, die Duden , alles in einem großen Koffer verstaut, doch auf einmal lachte sie:
    Ich fahre nirgendwohin! Nur eines musst du wissen – keine Schwindsucht!
    Und als ich heftig zu husten begann, immer heftiger und heftiger, schleppte sie mich, vielleicht weil sie Verdacht geschöpft hatte, in die Hochschulpoliklinik, in die fluorografische Abteilung. Das, was Antanas und Lucija mit ihrer Mobilen Röntgenstation taten, indem sie im Land herumfuhren, wurde hier unter stationären Bedingungen durchgeführt. Man begegnete uns unfreundlich, beinahe feindlich. Es sei keine der üblichen Massenuntersuchungen angeordnet, es liege kein dringender Grund vor. Aber Danielė ließ nicht locker, erklärte, dass wir zu heiraten beabsichtigten, daher alles über den künftigen Ehepartner wissen müssten. Vielleicht habe einer Tuberkulose und wisse nicht mal davon?
    Daraufhin wurden wir von einem pockengesichtigen Doktor gelobt. Er erlaubte uns sogar, zusammen eine Kabine zu benutzen, um uns oben freizumachen, ein enger fensterloser Verschlag, in dem nur an der Decke eine schwache Lampe

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