Mobile
Spielzeug. Es blieb immer ein Spielzeugteil zurück.«
»Aber nicht irgendeins«, sagte Michael, »sondern eins, an dem offensichtlich das Herz der Kinder hing - und das sie noch nicht lange hatten, sondern erst vor kurzer Zeit erstanden oder geschenkt bekommen hatten.«
»Spielzeug«, murmelte Joachim. »Wie das Mobile. Und wie die Glasmurmeln.«
»Und wie die mit Knisterfolie gefüllte Stofflok des Jungen in Anchorage und wie die aus bunten Holzklotzen gefädelte Raupe des Mädchens aus Lyon. Und wie all das andere Spielzeug, das so harmlos nach gar nichts aussieht, aber die Kinder fortreißt.«
Joachim sah Michael ungläubig an . »Aber das kann doch nicht sein.«
»Offensichtlich doch.«
»Aber wie ... geht das?«
»Das kann ich dir nicht sagen, das gilt es herauszufinden.«
»Mama?« D ie unerwartete Stimme ließ die drei leicht zusammenzucken. Niklas. Er stand schlaftrunken in der Tür.
»Ni cki, was ist los?«, fragte Carola leicht gereizt.
»Ich schlafe nicht gut. Mir ist übel. Und hört ihr es denn nicht?«
»Was denn hören?«
»Daniel. Er jammert mal wieder.«
Tatsächlich. Jetzt hörte Carola es auch. Sie schloss kurz die Augen und ließ die Schultern hängen.
»Darf ich in euer Bett?«, fragte der Junge.
Sie nickte.
Niklas sah Michael an.
»Hallo Sportsfreund«, sagte Michael und deutete das Victory-Zeichen an.
»Hallo«, antwortete Niklas schüchtern .
Carola ging zur Tür und strich ihrem Sohn über den Kopf. »Dann geh schon mal ins Schlafzimmer und lege dich hin, ich komme gleich noch mal rein. Ich guck' nur rasch nach Daniel.«
»Wer ist der Mann?«, flüsterte Niklas.
»Eine Art alter Freund von Papa «, sagte sie leise.
»Von dir auch?«
»Nein, Gott bewahre. Und nun geh ins Bett, ich bin gleich da.«
»Gute Nacht«, sagte Niklas ins Wohnzimmer und verschwand.
»Er sagte, ihm sei übel und er schliefe nicht gut«, sagte Joachim mit dünner Stimme.
»Er will bloß etwas Aufmerksamkeit«, sagte Michael lapidar. »Zumindest sollten wir es hoffen.«
»Nicht, dass mit Ni cki jetzt auch noch was geschieht.«
Michael entgegnete nichts.
Joachim holte tief Luft und sagte: »Du hättest mir vorhin sagen sollen, dass zwischen Caro und dir mal was gewesen war.«
»N a ja, nicht jedem gefällt der Gedanke, dass ein alter Kumpel weiß, wie die Ehefrau zwischen den Beinen schmeckt und sich ihre erigierten Nippel anfühlen.«
»Das ist richtig. Allerdings war das mit euch vor meiner Zeit mit Caro gewesen ... «
»Eben!«
»... aber es wäre ehrlicher gewesen, du hättest mir vorher davon erzählt, dann hätten sie und ich vorhin nicht so dämlich aus der Wäsche geguckt und es würde unter uns dreien eine etwas entspanntere Atmosphäre herrschen.«
» Okay, ich bin schuld. Kenn ich ja. So, kann ich noch ein Bier haben?«
»Warum bist du wirklich hier, Michi? Hm? Welche Motivation hast du?«
Michaels Augen wurden schmal. Er sah an Joachim vorbei auf einen Punkt an der Wand. Zwei Sekunde n vergingen, dann sagte er: »Ich kann endlich herausfinden, wie das damals geschah. Das mit Uli. Und warum es geschah, welcher Grund dahinter steckte. Vielleicht ist dieses Herausfinden das Letzte, was ich noch wirklich will. Du bist meine Chance, Jo, mein Trittbrett. Ich kann mich an deine Angst ketten, von deiner Verzweiflung profitieren. Meine Motivation hat einzig und allein egoistische Motive - aber so wie ich von dir profitieren kann, kannst du von mir profitieren. Gegenseitiger Nutzen, wie es so schön heißt.«
»Carola ist davon überzeugt, dass du etwas im Schilde führst.«
»Das w undert mich nicht. Sie hat keinen Grund, mir gute Absichten zu unterstellen und mich mit Vertrauen zu überschütten.«
» Und? Können wir dir vertrauen, Michi? Kann ich dir vertrauen?«
» Wie viel hast du zu verlieren? Nicht sonderlich viel, oder?«
Joachim seufzte. Er rieb sich die Au gen. Kopfschmerzen breiteten sich aus.
»Was ist jetzt mit dem Bier?«, fragte Michael. »Sag einfach, wo es ist, ich hole es mir.«
»In der Küche. Gleich nebenan. Da steht 'ne Kiste.«
Michael verließ das Wohnzimmer. Die Küchentür war offen und er war im Begriff, hineinzugehen, als er aus Daniels Zimmer leises Singen hörte. Er überlegte kurz, dann öffnete er die Kinderzimmertür so leise er konnte. Er hatte Glück, der Drücker knarrte und die Scharniere quietschten nicht. Er öffnete die Tür einen Spalt und sah hinein. Eine kleine Nachtlampe auf dem Schränkchen neben dem Bett spendete mattes, warmes
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