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Titel: Mobile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Richter
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Licht. Carola hielt Daniel auf dem Arm, wiegte ihn sanft hin und her und sang ein Kinderlied. Fast eine halbe Minute lang beobachtete Michael sie, dann schloss er behutsam wieder die Tür. Sie hatte ihn nicht bemerkt.
    Das war gut, das war sehr gut.
     

Montag, 17. Juni
     
    Das Senioren- und Pflegeheim befand sich in einem Stadtteil mit gemischtem Bestand aus Einzelhäusern und mehrstöckigen sozialen Wohnbauten aus den späten sechziger und frühen siebziger Jahren. Der Linienbus hielt nahezu direkt vor der Eingangstür. Die Außenanlagen waren gepflegt, doch bereits die Fassade des Gebäudes verriet, dass die Einrichtung in die Jahre gekommen war und der Standard nicht mehr aktuell war.
    Die alte Dame saß allein an einem Tisch, der Platz für vier Personen bot. Sie schenkte dem gemächlichen Treiben in dem kleinen Frühstücksraum keinerlei Beachtung, sondern beschäftigte sich ausschließlich mit ihrem Frühstück. Joachim und Michael standen nebeneinander in der Eingangstür des Raumes und betrachteten die Frau, die ihnen ein mürrischer Pfleger vor wenigen Sekunden gezeigt hatte.
    »Wer von uns beiden macht den Anfang?«, fragte Joachim und warf Michael einen kurzen Blick zu.
    »Na du, das ist doch logisch. Du siehst freundlicher aus und bist charmanter als ich. Alte Schachteln stehen auf freundlich aussehende und charmante Männer in unserem Alter, darin sehen sie den Wunsch schwiegersohn. Komme ich etwa rüber wie der Wunschschwiegersohn?« Er gab Joachim einen Klaps auf die Schulter. »So, dann starte mal deine Charmeoffensive.«
    Joachim nickte und atmete noch einmal tief ein. Dann gingen sie zum Tisch hinüber.
    »Entschuldigen Sie bitte, dass wir Sie beim Frühstück stören, Frau Reichel.«
    Die alte Dame hob den Kopf. Joachim lächelte sie leicht an, und auch Michael, der einen kleinen Schritt hinter ihm stand, rang sich ein Lächeln ab.
    Joachim sagte: »Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie nach dem Frühstück ein paar Minuten Zeit für uns übrig hätten. Es gibt etwas, über das wir gerne mit Ihnen reden wü rden.«
    Langsam legte die alte Frau das Messer aus der zittrigen Hand. Sie musterte die beiden Männer aufmerksam aus klaren, blauen Augen, die in einem seltsamen Kontrast zu ihrem faltigen Gesicht standen. Ihre Wangen waren eingefallen und die Knochen zeichneten sich unter der dünnen, pergamentartigen Haut ab. Ihre schmalen Lippen schimmerten leicht bläulich und verrieten Durchblutungsstörungen. Dünnes, eisgraues Haar stand ihr in zerzausten Strähnen vom Kopf ab.
    »Worum geht es, meine Herren?«, fragte sie mit brüchiger Stimme.
    Joachim stellte zuerst Michael und anschließend sich selbst vor. Dann sagte er: »Wir wollten uns nur ankündigen. Bitte frühstücken Sie erst in aller Ruhe zu Ende. Wir warten auf dem Flur auf Sie.«
    »Kennen wir uns, meine Herren?«
    »Nein«, sagte Joachim. »Wir sind hier, weil wir hoffen, dass Sie uns helfen können.«
    »Helfen? Wobei helfen?« Ihr Blick wurde argwöhnisch. »Sind Sie von der Polizei?«
    »Nein«, sagte Joachim und schmunzelte milde. »Wir sind privat hier.«
    »Sie sehen aber aus wie von der Polizei. Zumindest Sie. Aber er da hinten nicht. Er sieht aus wie jemand, der das Sonnenlicht nicht mag. Hoffentlich ist er nicht krank.«
    In Michaels Gesicht zuckte kein einziger Muskel. Joachim konnte ein kurzes Grinsen nicht unterdrücken.
    »Geben Sie mir ein Stichwort, junger Mann«, sagte sie an Joachim gewandt. »Die Neugierde ist sonst zuviel für mein schwaches Herz.«
    »Es geht um den Laden Ihres Mannes. In dem die Gebrauchtwaren verkauft wurden.«
    »Wie bitte?«, fragte sie verdutzt.
    »Sie wissen genau, wovon die Rede ist«, sagte Michael.
    »Michi!«, raunte Joachim.
    »Nix Michi .« Er machte einen Schritt nach vorn und stand nun neben Joachim. »Wir haben nicht ewig Zeit. Oder hast du vor, das Ganze in Ruhe bei einer gemütlichen Partie Bingo zu besprechen? Also, geschätzte Frau Reichel: Es geht um Zeugs, das mein Freund und ich vor vielen Jahren als Kinder aus Ihrem Laden haben mitgehen lassen. Einiges ist Spielzeug, und dieses Spielzeug bereitet nun einem kleinen Jungen Probleme. Und zwar äußerst große Probleme. Wir müssen dringend mehr darüber erfahren, deshalb sind wir hier. Sind Sie bereit, mit uns zu reden und zu helfen oder schweigen Sie und nehmen den kleinen Jungen mit ins Grab?«
    Die Augen der alten Frau weiteten sich und ihre Hände zitterten stärker als zuvor. Sie japste nach Luft.
    »Verdammt, Michi«,

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