Model-Ich (German Edition)
die meiste Zeit aufhielt. In den Geschäften gab es jede Menge buntes Zuckerzeug und Spielsachen, an die man bei uns zu Hause nur schwer rankam. Es war ein Sommer vollgestopft mit polnischer Exotik.
Ich kann schlecht sagen, ob meine Kindheitserinnerungen anders gewesen wären, wäre ich im Westen aufgewachsen. Bunter vielleicht. Als wir zum ersten Mal über die alte Grenze gefahren sind, konnte ich mich kaum entscheiden, was ich aus dem Supermarkt für mein Begrüßungsgeld kaufen sollte. Am Ende wurde es ein Lustiges Taschenbuch und ein Computerspiel.
Wo ich herkomme, dafür hat man sich kurz wieder interessiert, als mein Name in Deutschland bekannter wurde. »Home
Storys« aus Rottleben waren besonders gefragt. Da stand ich dann mit meiner Mutter in der heimischen Küche und für die Kamera aßen wir Spreewaldgurken aus dem Glas. Beliebt waren auch Aufnahmen von Niklas und mir, auf denen wir uns eine Thüringer Rostbratwurst teilen. Beide haben diese Geschichten mit bewundernswertem Gleichmut ertragen.
Meine Mutti fand eigentlich alles toll, was mit dem Modelsein zu tun hatte. Wenn eine Zeitschrift mit einer Modestrecke von mir erschien, musste ich vorher Bescheid geben. Sie hat Bilder von mir mit auf die Arbeit genommen, um die Kollegen auf den neusten Stand zu bringen, so stolz war sie. Wäre ich dabei gewesen, hätte ich wahrscheinlich gesagt: »Mensch, Mutti! Das wollen die Leute doch gar nicht sehen.« Im Nachhinein bin ich gerührt, dass sie sich so dafür interessiert hat. Sie kann sich bis heute besser daran erinnern, wie die Mädchen hießen, mit denen ich mir in New York eine Wohnung geteilt habe, als ich.
Mein Vater war in seiner Begeisterung eindeutig zurückhaltender. Ständig hatte er Angst, dass jemand seine Tochter übers Ohr hauen würde. Er traute niemandem und kümmerte sich anfangs persönlich um meine Buchhaltung. Als er sah, dass ich mehr Geld verdiente, als meine Eltern zusammen, meinte er: Na ja, das solltest du erst mal weitermachen.
Ich habe meine Eltern nie gefragt, ob sie sich eigentlich etwas anderes für mich vorgestellt hätten. Meine Mutter ist Zahntechnikerin, mein Vater Diplom-Ingenieur. Sie haben mir nie das Gefühl gegeben, dass meine Entscheidung nicht die Richtige ist und mich unterstützt, finanziell und mit einer Tonne Taschentüchern und Trost, als am Anfang alles falschzulaufen schien. Ich weiß nicht, wie ich das je zurückgeben könnte. Aber es gibt zumindest Momente, in denen ich etwas von dem teilen kann, was sie mir ermöglicht haben. Als ich zum ersten Mal den Bambi moderierte, waren meine Eltern in Hamburg mit dabei. Ich hatte
alles für sie organisiert, das Hotel, den Fahrer, die Karten. Vati hat immer wieder angerufen und gefragt: »Muss ich noch was machen?« – »Nein, Vati, du musst dich um nichts kümmern.« Als sie dann in Hamburg ankamen und er sah, dass er sich wirklich um nichts kümmern musste, hätte ich gerne ein Foto von ihm gemacht. In dem Augenblick sah er aus, als würde er sagen wollen: »Unser Mädchen. Ganz schön groß geworden!«
FASHION SHOWS
BEI MODELS DENKEN DIE MEISTEN automatisch an die Laufstege in Paris, Mailand und New York, an spektakuläre Defilees und fantastische Kleider. Dabei arbeiten nur sehr wenige von uns auf den Schauen und können damit auch noch Geld verdienen. Pro Saison sind es vielleicht ein Dutzend Models, die von allen großen Modehäusern gebucht werden und am Ende von zwei Monaten harter Arbeit ein Plus auf dem Konto haben. Die anderen bekommen für ihre Arbeit keine oder nur kleine Gagen. In New York ist es sogar Standard, Models in Kleidern zu bezahlen. Für die Jungdesigner ist das ein Weg, sich eine Schau überhaupt leisten zu können. Aber auch unter den bekannten Namen ist diese Praktik ganz üblich. Beschweren würde sich darüber niemand. Man nimmt halt, was man kriegen kann. Gegen die Art der Bezahlung wäre auch nichts einzuwenden, wenn man dabei wirklich an ein paar schöne Outfits käme. Leider ist nicht jeder Designer gleich talentiert und so hat man am Ende der Saison nicht nur Laufstegerfahrung gesammelt, sondern auch einige untragbare Klamotten.
Unter den Models, die das bereits erlebt haben, gibt es einige, die dann lieber gleich fragen, ob sie stattdessen nicht eine Handtasche oder Schuhe mitnehmen dürfen. Oder sie gehören zur Gattung »diebische Elster« und fragen gar nicht, sondern stopfen sich die Sachen einfach in die Tasche, ein paar teure Pinsel und Make-up-Flaschen vom Visagisten
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