Model-Ich (German Edition)
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Das sind meine Eltern. Besorgt und stolz, mit einem unermüdlichen Interesse an allem, was ich tue. Und eine ständige Erinnerung daran, wo ich herkomme.
Ich war also Funkenmariechen, bei uns in Thüringen sagt man dazu eigentlich Tanzmariechen, und ich tanzte ein paar Jahre mit in der Garde und war im Karnevalsverein. Eine große Sache, denn der Karneval wird bei uns mindestens so ausgelassen gefeiert wie am Rhein. Meine Familie, ich und unsere Freunde versuchen immer noch, jedes Jahr dabei zu sein, und geben uns erschreckend große Mühe mit unseren Kostümen. Es ist ein schönes Ritual.
Ich bin auch sonst gern zu Hause. Und das schreibe ich nicht, weil ich weiß, dass es meinen Eltern gefallen wird. Es gefällt mir einfach dort. Außerdem ist es leichter, nach Rottleben zu fahren, als meine Eltern nach Berlin zu bewegen. Die Parkplatzsuche in der Großstadt allein macht meinem Vater schon vor der Abreise nervös.
Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, das so klein ist, dass ich früher gesagt habe, ich komme aus Leipzig. Nicht einmal darunter konnten sich viele etwas vorstellen. Ostdeutschland? Erzähl mal. Wie war das? Gar nicht übel, soweit ich mich erinnern kann.
Ich war neun Jahre alt, als die Mauer fiel. Meine Erinnerungen an die DDR beschränken sich also auf einen Zeitraum, in dem ich sehr behütet war, von meinen Eltern und meiner acht Jahre älteren Schwester Dani. Wobei Dani manchmal sicher gerne ums Hüten herumgekommen wäre. Eine 12-Jährige will doch lieber mit ihren Freundinnen spielen, als die Kleine hinter sich herzuschleppen. Sie war meine Aufpasserin. Ich hoffe, sie trägt es mir nicht nach. Acht Jahre sind ein großer Altersunterschied, aber seitdem auch ich erwachsen bin, überbrücken wir ihn locker. Genauso, wie mit unserer kleinen Schwester Vici, die sechs Jahre jünger ist als ich. Sie wohnt auch in Berlin und als sie herzog, lebte sie vorübergehend bei uns. Vici ist eine Süße (das weiß sie auch!) und wickelt jeden mit ihrem Charme um den kleinen Finger. Die Chance zum Modeln hat sich ihr schon einige Male geboten, aber ihr ist das alles zu hektisch. Die Kleine schiebt lieber eine ruhige Kugel und dafür kann ich sie nur bewundern.
Am liebsten wäre mir, die Ältere würde auch hier und nicht in Niedersachsen wohnen. Es gibt keinen Menschen, mit dem ich mehr lachen kann, als mit Dani. Sie hat eine fantastisch dreckige Lache und einen absurden Sinn für Humor. Ich wünschte, sie hätte mich noch öfter auf meinen Reisen begleiten können. Ohne sie und ihre beißenden Kommentare wäre zum Beispiel die Fashion Week in Mexiko, wo ich für eine Fashionshow mit mehr Make-up als Liza Minelli über den Laufsteg geschickt wurde, nur halb so lustig gewesen.
Als wir aufwuchsen, hätte ich nichts dagegen gehabt, Dani auch mal loszuwerden, und ihr ging es da nicht anders. Als Kinder vom Dorf wurden, wir tagsüber vor die Tür gescheucht und hatten, wenn es nicht gerade regnete oder stürmte, nichts im Haus zu suchen. Also kletterten wir in Bäumen rum, bauten Hütten und hofften, dass wir bald wieder in die warme Stube durften. Ich hockte nämlich am liebsten im Wohnzimmer vor der Kiste. Meine Lieblingssendung: die Werbung (!). Von den
Westsendern konnten wir immerhin ARD und ZDF empfangen und selbst die durften wir eigentlich nicht gucken. Jahrelang habe ich Sonntage gehasst, weil sonntags keine Werbung lief. Wenn im Fernsehen nichts kam, träumte ich davon, irgendwo zu sein, wo was los ist, zum Beispiel in der Großstadt, wo man schön einkaufen kann oder noch besser im schönen Westen.
Es wäre untertrieben, zu sagen, dass ich konsumfixiert war. Meine Tante und ihre Familie lebten in Nordrhein-Westfalen und kamen einmal im Jahr zu Besuch – mit Geschenken. Ich habe mich fast mehr darauf gefreut, als auf Weihnachten. Das Sweatshirt mit dem Minnie-Maus-Aufdruck, das sie mir bei einem ihrer Besuche mitbrachten, liebte ich heiß und innig.
Rausgehen und mein Taschengeld für hübsches Zeug auf den Kopf hauen – das hat mir gefehlt. Das war auch schon das Einzige.
Ich fand es nicht komisch, dass wir in meiner Kindheit nur dreimal in den Urlaub gefahren sind, zweimal nach Klein Schauen in Brandenburg und einmal mit dem Trabbi nach Polen. In meiner Vorstellung war das der allerbeste Urlaub. Wir wohnten in Holzhütten in einem kleinen Feriendorf. Durch das Dorf plätscherte ein kleiner Bach, in dem ich mich
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