Model-Ich (German Edition)
gleich dazu. Ein Schlussverkauf ist nichts dagegen. Ich habe mich noch nicht einmal getraut, die Designer um ein Mitbringsel zu bitten, aus Angst, es kommt ein »Nein«. Ein paar Geschenke durfte ich aber doch von
den Laufstegen mit nach Hause nehmen, wie die Stiefel von Etro, die ich bis zum Auseinanderfallen getragen habe. In meinem Ankleidezimmer hängen auch einige Wickelkleider von Diane von Fürstenberg. Getragen habe ich sie nie, aber weggeben kann ich sie auch nicht. Eines Tages wird sie vielleicht meine Tochter anziehen. Ich wünschte jedenfalls, meine Mutter hätte einige ihrer Sachen aus den 70er-Jahren aufgehoben. Die würde ich heute sofort tragen.
Während der Schauen verbringt man die meiste Zeit mit Warten. Warten auf den Fahrer. Warten auf die Anziehhilfe. Warten auf den Haarstylisten. Wundert es da jemanden, dass Models immer irgendein Buch dabeihaben? Nach meiner inoffiziellen Schätzung ist der Lieblingsautor von Models Paulo Coelho. Vermutlich weil er über Frauen schreibt und wahrscheinlich weil man sich beim Lesen seiner Romane, nun ja, nicht groß konzentrieren muss. Denn backstage geht es zu wie in einem Hühnerschlag. Fünf Leute zerren an einem herum, Schneiderinnen nehmen in letzter Sekunde Änderungen an den Kleidern vor und irgendjemand steht immer kurz vorm Nervenzusammenbruch.
Bei dieser Hektik kann man sich kaum merken, was der Designer zur Motivation auf das Schild am Ausgang zum Laufsteg geschrieben hat. Macht vielleicht auch nichts, denn meistens steht dort, in Variationen, entweder »be strong and confident«, zu Deutsch: »sei stark und selbstbewusst«, oder »romantic and playful«, »romantisch und verspielt«. Da ich bei Schauen selten im Publikum saß, kann ich nicht beurteilen, ob man den Models den Unterschied überhaupt ansieht. Ich konnte mit diesen Anweisungen jedenfalls nie viel anfangen, für mich war die Musik ausschlaggebend und die Bühne. Natürlich geht man erhabener, wenn der Laufsteg in einem Pool schwimmende Plexiglaswürfel sind, wie bei meiner ersten Haute Couture Schau von Chanel. Kein Mädchen will in einem himmlischen Chanel-Kleid
in den Pool fallen, erst recht nicht, wenn es dabei von Tauchern gefilmt wird. Der Aufwand, die Dramatik und die Kleider einer Couture-Präsentation kann man mit anderen Schauen nicht vergleichen.
Eine der ungewöhnlichsten Inszenierungen, bei denen ich dabei sein durfte, war die des New Yorker Labels Imitation of Christ. Auch dort bekam man zum Lohn nur Klamotten. Das machte mir aber nichts, denn die Schau war so bahnbrechend und provozierend, dass es eine Ehre war, allein dabei sein zu dürfen. Jede Saison wurde um die Show ein großes Geheimnis gemacht, selbst die Models wussten nicht, was passieren würde. Als ich dabei war, erlebten die Zuschauer die Modenschau aus der Perspektive eines Models. Eine so einfache wie einzigartige Idee. Das Publikum betrat den Raum und wurde von Tracy Ullman, einer amerikanischen Komikerin, in der Manier eines Feldwebels über den Catwalk gescheucht. Ullman gab Befehle, wie sie normalerweise ein Choreograf machen würde, in der Art »Be stronger! Pretend you’re on a Safari! Don’t smile!«. Die Gäste waren einigermaßen verstört und es dauerte eine ganze Weile, bis sie bemerkten, dass es sich bei den Leuten, die schon Platz genommen hatten, um die Models handelte – schön hindrapiert, in den neusten Kreationen von Imitation of Christ. Genial! Für uns war dieser Rollentausch ein Riesenspaß. Endlich erlebte das Publikum mal am eigenen Leib, wie es auf dem Catwalk zugeht.
Am meisten genossen habe ich die Schauen, bei denen die Klamotten nebensächlich waren. Die quietschbunten, winzigen Outfits von Heatherette kann kein Mensch tragen, aber die Show war immer eine große Party, bei der die Organisation niemanden gekümmert hat und es nur darum ging, sich zu amüsieren. Bei Betsey Johnson habe ich mich gefühlt, wie bei einem Mädchenabend. Der Backstage-Bereich war immer mit Luftballons geschmückt, man wurde quasi dazu genötigt, Champagner
zu trinken, und an einem Valentinstag hingen überall Plakate, auf denen stand »You are loved«. Da fällt es leicht, auf dem Laufsteg gut gelaunt zu sein.
Die größte Ehre ist es, eine Schau zu eröffnen. Meine Chance, einmal als Erste rauszugehen habe ich verpasst – dank Paris Hilton. Es war zu der Zeit, als sich ein paar New Yorker Erbinnen überlegt hatten, in ihrer ausgiebigen Freizeit zu modeln und Paris tauchte plötzlich in
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