Model-Ich (German Edition)
rosafarbenen Miniröcken und Plateaupantoffeln bei Castings auf. Allerdings schien das nicht so gut zu laufen, wie sie es sich vorgestellt hatte, und obwohl sie nicht dafür gebucht war, tauchte sie bei der Show von Catherine Malandrino im Schlepptau mit ihrer Busenfreundin Kimberley Stewart auf und verkündete, sie würden mitlaufen und zwar vorneweg. Es war 15 Minuten vor Showbeginn, im Publikum saßen Leute aus meiner Agentur, um mich zu feiern, denn eigentlich wäre ich das erste Mädchen auf dem Laufsteg gewesen. Catherine kam zu mir und sagte: »Sorry, Paris und Kimberley eröffnen die Show.« Die beiden gingen dann in irgendwelchen schnell zusammengewürfelten Outfits raus und liefen so elegant wie ein paar Transen in Proseccolaune. Und dafür hatte ich nun meinen Platz geopfert.
Ich war auch deshalb so sauer, weil ich nie das Mädchen war, das alle für ihre Schauen buchen wollten. Nicht mal in dem Jahr, als ich hintereinanderweg Editorials in der japanischen, britischen, spanischen und italienischen Vogue hatte und mein Look, sehr androgyn mit weißblonden Haaren und gebleichten Augenbrauen, gut ankam. Meine Agentur meinte: »Das wird dein Durchbruch, wart’s nur ab, bis du in Mailand für die Schauen ankommst!« Ich kam an – und am Ende der Saison hatte ich gerade einmal fünf Schauen gemacht. Ich weiß nicht, woran es lag. Waren die anderen Mädchen besser? Suchten die Designer doch einen anderen Typ? Ich hatte so große Erwartungen gehabt, dass die Enttäuschung umso größer war. Das war
der Zeitpunkt, als ich beschloss, mir den Schauenzirkus nicht mehr anzutun.
Erfreulicherweise konnte ich mit anderen Jobs mehr verdienen. Die magischen Worte lauten: Kampagnen, Kataloge, Wäsche. Als ich feststellte, dass meine Oberweite, die den meisten Designern für Schauen zu viel des Guten war, für Wäsche genau passte, hatte ich den Laufsteg schon so gut wie vergessen.
FOTOGRAFEN UND FOTOSHOOTINGS
WENN ICH VOR EINER KAMERA STEHE, legt sich in mir ein Schalter um. Dann knipse ich Eva aus und das Model an. Schwergefallen ist mir das nie. Die Verwandlung ist, was mir an meinem Job von Anfang an am meisten Spaß gemacht hat. Ich durfte schon Marilyn Monroe, David Bowie und Madonna spielen, einen Fußballfan genauso verkörpern wie die typische Sex and the City -Frau, Jetset Girls und bayrische Madl. Nur wenn mein Mann mich fotografiert, funktionieren die Posen nicht. Erstens komme ich mir albern vor. Zweitens kann er mich nicht ernst nehmen, weil er mein echtes Gesicht zu gut kennt und nicht das des Models.
Es kommt vor, dass man für ein Fotoshooting einiges über sich ergehen lassen muss. Bei einer meiner ersten Testaufnahmen in New York bin ich für den Fotografen in einen brackigen, stinkenden, blutegelverseuchten Tümpel in Connecticut gestiegen.
Aber von Anfang an. Der Tag hatte schon sehr früh begonnen, als das Team mich und zwei meiner Mitbewohnerinnen um fünf Uhr morgens mit einem Van vor unserem Apartment abholte. Auf der Fahrt übergab sich eines der Mädchen und erholte sich den ganzen Tag nicht mehr von der Anreise. An unserem Zielort in Connecticut angekommen, stellte der Fotograf uns seine Adoptivmutter vor. Er selbst war Vietnamese und in eben jenem Örtchen in Connecticut bei einer Pfarrerfamilie aufgewachsen. Haare und Make-up wurden in der kleinen Kirche des Ortes gemacht und für die Fotos fuhren wir zu einem nahe gelegenen
Park. Es war ein heißer Sommertag mit 35 °C und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit. Vom Parkplatz zur Location sind wir noch 20 Minuten gelaufen und mussten dabei natürlich die ganze Ausrüstung mittragen. Kleider, Make-up Koffer, Lampen, Kameraequipment. Eine Menge Zeug. Als wir ankamen, waren wir schweißgebadet und das eben aufwendig gemachte Make-up nicht mehr existent. Die Mutter des Fotografen half uns freundlicherweise bei dieser Aktion. Die arme Frau war schon etwas älter und hatte laut Aussage ihres Adoptivsohnes einen Herzfehler und Asthma. Das schien ihn allerdings nicht davon abzuhalten, sie immer wieder zum Wagen zurückzuschicken, um für das Team Getränke und Sandwiches zu holen.
Irgendwann konnte ich mir diese Grausamkeit nicht mehr mit anschauen. Die Mädchen und ich setzten sie auf eine Decke im Schatten und machten die restlichen Besorgungen ohne sie. Unser charmanter Fotograf ließ sich davon nicht weiter aus der Ruhe bringen und konzentrierte sich lieber auf das richtige Licht anstatt auf seine röchelnde Mutter.
Ich hatte nicht mehr viel Lust
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