Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
schlecht gelaunt. »Fünfhundert für das Material. Dann das Porto. Für das Nähen müssen wir Profis anheuern, weil wir sonst nicht rechtzeitig fertig werden. Zu Profi-Honoraren. Ich habe immer gedacht, Haute-Couture-Kleider wären überteuert, dabei sind sie im Verhältnis zu den Herstellungskosten relativ billig.«
Wir haben beschlossen, Andy Elat und Amanda nicht mehr um Geld zu bitten. Sie haben auch keins mehr angeboten. Irgendwie habe ich den Eindruck, sie wollen, dass ich das Problem alleine löse.
»Reichen fünfzehnhundert?«, fragt Harry.
»Es würde helfen«, sage ich mit einem verzweifelten Schnauben.
»Hier«, sagt er. Er legt einen Umschlag auf den Tisch. Darin sind mehr Zwanzig-Pfund-Noten, als ich je in meinem Leben auf einem Haufen gesehen habe.
Was hat er getan? Drogen geklaut?
Ich sehe ihn misstrauisch an. Mum ebenso.
»Ich habe meine Kamera verkauft«, erklärt er.
Das kommt mir komisch vor. Seine Digitalkamera ist ja ganz nett, aber sie ist wahrscheinlich vielleicht zwei dieser Scheinchen wert, und die einzigen anderen Fotoapparate, die er noch hat, sind professionelle, die er fürs Studium braucht.
»Welche Kamera?«, fragt Mum gepresst.
»Die Leica. Und das Objektiv.«
Mum und ich starren ihn an.
»Das verschwommene Objektiv? Das war ein Geschenk von deinem Vater!«, sage ich.
»Du brauchst es für deinen Abschluss!«, stöhnt Mum.
»Oh, vielen Dank, Harry. Tolle Idee. Du hast uns gerettet«, sagt Harry sarkastisch. »Ich habe sie einem Typ aus meinem Kurs verkauft. Er war schon die ganze Zeit scharf darauf. Ich weiß nicht, ob ich im nächsten Semester mit Fotografie weitermache. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Malerei eher mein Ding ist.«
Mum vergräbt das Gesicht in den Händen.
»Wow. Vielen Dank«, sage ich endlich. »Das war eine tolle Idee. Du hast uns gerettet.«
»Geh und kauf Spitze«, sagt er. »Meinen Segen hast du.«
Es ist Sonntag. Auf der Suche nach Fotos von den Stars bei der Preisverleihung gestern Abend googele ich das spanische Filminstitut. Es ist nicht ganz leicht, aber irgendwann stoße ich auf ein paar Schnappschüsse.
Heißer spanischer Star, männlich, klick. Heißer spanischer Star, weiblich, klick. Dann, endlich, ein Foto von Sigrid und Joe, die zusammenkleben wie Kletten und strahlen wie die Vollidioten.
Sie hat ein kleines schwarzes Dingelchen an. Anscheinend von Rodarte. Sehr hübsch. Sehr passend. Sie sieht toll aus.
Vom Schwan keine Spur.
Ihre Assistentin ruft mich immer noch nicht zurück. Joe ruft Jenny nicht zurück.
In der Zwischenzeit geht das Leben weiter. In Krähes Atelier kehrt ganz langsam Ordnung ein. Fertige Stücke werden mit Plastikfolien gegen den Staub geschützt. Die Wände tapezierenwir mit Polaroids von mir und Edie in verschiedenen Outfits (wir sehen ziemlich albern aus), um einen Eindruck zu vermitteln, wie am Ende alles zusammengehört. Wir haben alle unsere rosa T-Shirts an. An einer Wand hängen lauter Einladungen zu Modepartys, zu denen wir nicht gehen können, weil wir zu viel zu tun haben. Und ein paar, denen wir nicht widerstehen können. Geschenktüten stapeln sich in einer Ecke, voller netter Sachen von Miss Teen, und Updates von Edies Kampagne für die unsichtbaren Kinder und Pläne zur (Henry-Lamogi-)Schule für Victoria und ihre Freunde.
Vom neuen Highlight der Modenschau ist nichts zu sehen. Daran arbeitet eine Frau, die Yvette für uns aufgetrieben hat und die noch schneller nähen kann als Krähe. Wenigstens der Entwurf hängt an der Wand. Harry hat ihn »Schwan light« getauft. Es ist eine Miniversion des Originals (für den vollen Wasserfallrock reicht weder die Zeit noch das Material), mit etwas weniger Stäbchen und Raffungen, doch die ursprüngliche Idee ist immer noch spürbar. Es wird wunderschön. Alle hüten sich, vor mir darüber zu sprechen. Weswegen ich mich natürlich doppelt schrecklich fühle.
Ich sitze mit meinem Laptop in einer Ecke. Ich versuche gerade, Hausaufgaben in Geschichte zu machen und per E-Mail eine Schuhlieferung zu organisieren, als mein Handy klingelt. Beinahe gehe ich nicht dran, weil ich zwei Dinge gleichzeitig tun kann, aber nicht drei. Doch als ich Svetlanas kichernden russischen Akzent am anderen Ende höre, sind Geschichte UND Schuhe sofort vergessen.
»Stimmt es, dass dein Bruder seine Kamera verkauft hat, um Krähe zu helfen die Kollektion fertig zu bekommen?«, fragt sie.
»Woher weißt du das?« Ich wusste, dass die Modewelt klein ist, aber
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