Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
ich davon erzählen. Ich rufe Edie an.
»Es wird ein totaler Erfolg«, sage ich. »Und Elton John war da! Und Alicia Keys!«
»Toll«, sagt sie. Es klingt ungefähr so wie ich, wenn ich Juhu sage. Wenn ich genau hinhöre, klingt es sogar so, als hätte sie geweint.
»Alles klar bei dir?«, frage ich.
»Mhm«, sagt sie.
Es ist still. »Nicht alles klar, oder?«
Wieder ist es still. Dann höre ich ein Schniefen.
»Was ist passiert?«
»Meine Eltern«, sagt sie. »Sie haben alles abgeblasen. Sie sagen, ich hätte mir zu viel vorgenommen, und deswegen wäre ich die ganze Zeit so müde und schlecht gelaunt. Sie haben Orchester abgesagt. Sie haben meine Ehrenämter abgesagt. Sie haben mir sogar verboten, meine Website zu aktualisieren.«
»Oh, Edie! Deine ganzen Lieblingsprojekte!«
Sie putzt sich die Nase. »Ist schon okay. Wahrscheinlich haben sie Recht, nehme ich an. Ich muss mich auf die Vorstellungsgespräche konzentrieren. Mum wollte sogar Gloria übernehmen, aber das muss ich selber machen. Es ist nur … du weißt schon … wenn …«
Sie ist so erschöpft, dass ihr nicht mal die richtigen Worte einfallen. Vielleicht haben ihre Eltern tatsächlich Recht.
»Oh, nein. Es ist meine Schuld!«, sage ich. »Ich wollte mich doch um dich kümmern. Und wir haben uns kaum gesehen.«
»Es ist nicht deine Schuld«, seufzt sie. »Es ist niemandes Schuld.«
Ich bin bestürzt. Edie ist eine meiner besten Freundinnen, und ich hätte auf sie aufpassen müssen. Sie ist jetzt schon seit mehr als einem Jahr obergestresst, und ich kann mich nicht mal mehr dran erinnern, wann sie das letzte Mal nicht müde und blass war. Aber irgendwie haben wir uns dran gewöhnt. Außerdem hatten wir andere Dinge im Kopf, schätze ich.
»Stell dir einfach vor«, sage ich, weil ich sie unbedingt aufheitern will, »nächstes Jahr um diese Zeit tigerst du durch Boston und lernst neue Freunde kennen.« Ich sehe sie wie Reese Witherspoon in Natürlich blond vor mir, sogar mit dem rosa Laptop und dem Chihuahua, obwohl ich genau weiß, dass es das Letzte wäre, womit sie rumlaufen würde.
Sie murmelt vor sich hin, wie toooll das wäre, aber im Moment will sie einfach nur schlafen, glaube ich.
Das war nicht die Unterhaltung, die ich eigentlich führen wollte. Ich gehe nach unten ins Atelier und hoffe und bete, dass Krähe da ist, damit ich ihr erzählen kann, wie cool Jenny in dem Kleid aussah und mit wie vielen Stars sie neuerdings befreundet ist.
Doch meine Hoffnungen und Gebete werden nicht erhört. Das Atelier ist leer. Es ist ziemlich oft leer in letzter Zeit. Das Licht ist aus. Die Schneiderpuppe ist nackt. Es ist so deprimierend, dass ich das Licht anmache, nur um mich ein bisschen aufzuheitern. Dann fange ich wie automatisch an durch den Raum zu schlendern, hier ein Stück Stoff zu berühren und da durch Krähes alte Skizzen zu blättern.
Allerdings fällt mir auf, dass die Skizzen überhaupt nicht alt sind. Einige habe ich noch nie gesehen. Viele, um genau zu sein. Krähe hat Seite für Seite in den Skizzenbüchern und jede Menge lose Blätter mit Ideen zu einer neuen Kollektion gefüllt. Nicht nur mit Bildern, sondern auch mit gekritzelten Kommentaren und sogar mit Stoffmustern, die sie an den Rand geheftet hat. Sie arbeitet an einer Idee, auf die Edie sie vor Urzeiten gebracht hat: Kleider aus Fairtrade-Baumwolle aus Uganda. Doch Krähe geht noch einen Schritt weiter und entwirft lauter neue Muster. Und die Schnitte haben viele clevere Falten und Abnäher, so dass sie die verschiedensten runden und eckigen Formen ergeben. Ein paar davon würde ich am liebsten sofort anziehen. Und die Stoffmuster sehen fantastisch aus.
Krähe muss sehr viel Arbeit hineingesteckt haben. Und ich hatte keine Ahnung, dass sie, seit sie wieder da ist, überhaupt an etwas arbeitet. Zu mir hat sie gesagt, sie hätte keine Zeit dafür. Aus irgendeinem Grund wollte sie mich nicht einweihen.
Es dauert nicht lang, bis mir ein Grund einfällt. Sie braucht jemanden, der ihr hilft ihre Entwürfe auf den Weg zu bringen. Das war immer so. Aber ich komme dafür nicht mehr in Frage. Vielleicht wartet sie, bis sie eine neue Nonie findet, die ihr hilft. Vielleicht hat sie schon jemanden gefunden und nur noch nicht gefragt. Oder noch schlimmer. Plötzlich fällt mir ihre neue Leidenschaft für E-Mails ein. Vielleicht hat sie schon jemanden gebeten und wartet nur auf die Antwort.
Doch so schnell lasse ich mich nicht ausrangieren. Ich kann vielleicht ihr Label
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