Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
Edie in Tränen ausbricht, aber sie weint nicht. Sie ist zu müde zum Weinen. Es ist hoffnungslos.
»Wann ist dein Gespräch?«, frage ich.
»Morgen Nachmittag. In diesem feinen alten Club in der Nähe von Piccadilly, wo man keine Hosen anziehen darf. Jedenfalls nicht als Mädchen. Ich glaube, als Junge muss man welche anziehen.«
»Ich begleite dich. Du brauchst jemanden, der dir die Hand hält.«
Eigentlich erwarte ich, dass sie sagt, ich soll nicht albern sein, aber das tut sie nicht.
»Danke«, sagt sie stattdessen. »Mum muss arbeiten. Es wäre schön, jemand dabeizuhaben.«
Leider bin ich keine so große Hilfe, wie ich gehofft habe. In Tränen aufgelöst kommt sie aus dem Gespräch und ist überzeugt, dass sie vollkommen versagt hat. Ich schlage vor, dass wir ins Kino am Leicester Square gehen oder einen Hamburger essen oder so was, aber sie will nur ins Bett. Nach dem Vorstellungsgespräch in Oxford ist es das Gleiche.
Edie und ich zählen die Tage, bis Jenny zurückkommt. Edie denkt dabei hauptsächlich an Gloria, aber ich denke vor allem an mich. Ich brauche ihre Quirligkeit und Energie. Ich will nicht mehr dauernd über Lernpläne reden müssen, sondern über talentierte Künstler und supertolle Sänger und mögliche Ferien mit internationalen Popstars.
Als Jenny am Flughafen Heathrow ankommt, sieht sie aus wie eine kurvige, rothaarige Version von Victoria Beckham mit einem neuen passenden Kofferset und einer rekordverdächtigen Sonnenbrille, die fast ihr ganzes Gesicht bedeckt. Ich schwenke mein Glitzerschild, damit sie mich durch die dunklen Gläser überhaupt sieht.
»Tut mir leid«, sagt sie und schiebt sich die Brille hoch, um mir einen Kuss zu geben. »Nachtflüge werden in Amerika nicht umsonst ›Redeye‹ genannt. Siehst du?«
Sie zeigt mir ihre Augen. Rot und geschwollen. Sie sollte es mal in der ersten Klasse probieren. Viel bequemer und entspannender.
»Schicke Brille«, sage ich. Ich erkenne sofort, dass sie von Tom Ford ist. Als ich sie anprobiere, habe ich das traurige Gefühl, dass ich Tom Ford wahrscheinlich nie näher sein werde.
»Warum trägst du sie?« Ich sehe mich in der in Dunkel getauchten Ankunftshalle um. »Hast du Angst vor Paparazzi?«
Jenny wird rot im Gesicht. Sie wird schneller rot als alle, die ich kenne, Edie eingeschlossen. Sie ist so rot, dass ich es sogar durch die neue Superbrille sehe. Verlegen senkt sie den Blick.
»O Mann! Hattest du wirklich!«, rufe ich.
»Na ja«, gibt sie zu, »in Chicago lagen sie richtig auf der Lauer. Es hat sogar jemand versucht sich im Flugzeug neben mich zu setzen, um mich während des Flugs zu interviewen.«
»Ehrlich?«
Sie nickt.
»Was hast du gesagt?«
»Ich habe Nein gesagt!« Sie kichert. »Interviews müssen erst von meiner Presseagentin abgesegnet werden, sonst bekomme ich Ärger.«
»Du hast eine Presseagentin?«
Wieder wird sie rot. »Zwei sogar. Eine für London und eine in Amerika. Jackson sagt, das muss sein. Eigentlich arbeiten sie für ihn, aber mir helfen sie auch.«
»Donnerwetter.« Ich gebe Jenny die Sonnenbrille zurück, die sie offensichtlich dringender braucht als ich, und hebe mein »Willkommen zu Hause, Jenny«-Schild auf. Jetzt ist es mir ein bisschen peinlich. Das Letzte, was sie will, ist ein großer Glitzerpfeil, der auf ihren Kopf zeigt.
Ich will zum U-Bahnhof gehen, aber Jenny hält mich zurück.
»Keine Sorge. Meine Presseagentin sagt, ich soll einfach ein Taxi nehmen. Flüge sind so was von ermüdend.«
Als wir gemächlich zur Taxischlange gehen, versuche ich im Stillen zu schätzen, was so eine Taxifahrt kostet (wahrscheinlich so viel, wie ich im Sommer bei Miss Teen verdient habe), während Jenny ohne Punkt und Komma erzählt, wie toll die Show gelaufen ist und dass die Party für das Team am Ende der Spielzeit die BESTE PARTY IHRES LEBENS WAR und wie sie den ganzen nächsten Tag geheult hat bei dem Gedanken, dass sie nicht mehr in der gleichen Besetzung spielen werden.
Dann redet sie von ihrer neuen Stricksucht und dem Paar warmen Wadenstrümpfen, die sie für Queen Mum gestrickt hat, bis sie merkt, dass ich nicht mehr zuhöre.
»Was ist denn?« Sie sieht in die Richtung, in die ich starre, zum Anfang der Schlange. Sie schiebt sich sogar die Tom-Ford-Brille auf die Stirn, um besser sehen zu können.
»Ich muss es mir einbilden«, flüstere ich, »aber … ich hätte schwören können, dass …«
»Vicente!«
Jenny hat eine laute Stimme, vor allem nach den vielen Stunden auf
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