Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
Schreckliches zu verschweigen. Normalerweise müsste sie zu diesem Zeitpunkt unglaublich nervös wegen ihrer Stimme und ihrer schauspielerischen Fähigkeiten sein.
»Okay«, sage ich, »aber was ist mit dir? Geht’s dir gut?«
»Bestens«, versichert sie mir. »Ich bin nur erschöpft von den ganzen Tanzstunden. Ich muss doch Extrastunden nehmen, weil ich nicht tanzen kann. Irgendwie ist es komisch, die Hauptrolle zu spielen. Bei der Premiere muss ich für jeden ein Geschenk haben. Keine Ahnung, was ich ihnen besorgen soll.«
Ich will ihr ein paar Tipps geben, aber sie redet einfach weiter.
»Zum Glück geht Carmen mit mir einkaufen. Das wird lustig. Carmen muss ständig überall Autogramme geben, aber sie sagt, man gewöhnt sich dran. Es ist so skurril, aber man muss sich einfach ganz natürlich verhalten …«
Dann erzählt sie mir fünf Minuten lang von den Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, wenn man ein MUSICALSTAR ist, und ich merke, dass ich sie sogar vermisse, wenn sie stundenlang nur von sich selbst redet. Als Freundin ist sie nicht immer leicht zu ertragen. Ihr Leben ist immer Drama, Drama, Drama, aber das bin ich gewohnt. Oder war es. Sieht aus, als müsste ich es mir eine Weile abgewöhnen, bis die Spielzeit vorbei ist. Wenigstens kann ich sie besuchen. Ich weiß nur nicht, wie ich die Kleider für drei Tage in ein normales Gepäckstück hineinbekommen soll.
Kurz vor den Ferien, als ich gerade versuche meine Unterwäsche in einer der winzigen Seitentaschen meines Koffers zu verstauen, kommt Krähe mit einem Paket vorbei, das ich mitnehmen soll.
Ich sehe sie an. Seit der Diskussion über »Leute«, die die Schule nicht ernst genug nehmen, haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Ich sehe das Paket an. Es hat ungefähr die Größe eines zusammengelegten Kleids. Eines zusammengelegten Jenny-Kleids mit einem üppigen Rock und einer schmalen Taille. Was Krähe eben so macht, wenn Jenny einen großen Moment vor sich hat.
»Für die Premierenfeier?«, frage ich.
Krähe nickt.
»Das hast du neben deinen ganzen Hausaufgaben gemacht?«
Sie nickt wieder, schuldbewusst.
»Du hast nicht vielleicht geschafft …«
Sie schüttelt den Kopf. Dann wirft sie einen Blick auf meinen Koffer. Er ist voll. Bis zum Anschlag. Dabei habe ich nur drei Pullover und mehrere Leggings eingepackt. Als Mädchen braucht man eine gewisse Auswahl. Der Koffer platzt aus allen Nähten. Jetzt guckt sie noch schuldbewusster. Wir fragen uns beide, wo das Paket hinsoll.
Ich seufze. »Irgendwie kriege ich es rein.«
Sie grinst. Und dann ist mir klar, dass sie Recht hat. Es wäre einfach nicht dasselbe, wenn Jenny bei einer wichtigen Sache kein Kleid von Krähe anhätte.
»Ich verspreche dir, dass ich drauf aufpasse.«
Jetzt grinst sie noch breiter. Bis jetzt hat sie kein Wort gesagt. Im Gegensatz zu mir ist sie wirklich nicht sehr gesprächig.
»Ich muss los«, murmelt sie und geht.
Ich sehe das Paket an. Es sagt alles darüber, wie lieb Krähe Jenny hat und wie sehr auch sie sie vermisst und ihr wünscht, dass alles gut geht. Dann mache ich mich daran, den Koffer wieder auszupacken und zu überlegen, wie ich das Kleid noch reinbekomme.
»Oh-Gott-oh-Gott, es ist supertoll!«, jubelt Jenny, als sie das Paket öffnet.
Sie hält sich das Kleid an und dreht sich vor dem großen Spiegel in meinem Hotelzimmer in Chicago.
»Krähe hat mich per E-Mail nach meinen Maßen gefragt. Ich habe mich schon gefragt wofür. Ich habe gehofft, dass sie ein Kleid oder so was macht, aber doch nicht SO WAS!«
Ich lächele sie ermutigend an. Krähe kann inzwischen allein e-mailen und braucht mich nicht mehr. Juhu.
»Zum Glück! Ich war ja vorher viel dicker«, plappert Jenny weiter. »Aber das ganze Tanztraining hat sich ausgezahlt. Guck mal. Fühl mal.«
Sie hält mir ihren Arm ins Gesicht. Zögernd betaste ich ihre Schulter. Sie ist steinhart vor lauter Muskeln. Dann hält sie mir das Bein hin. Dasselbe. Sie hat abgenommen, doch glücklicherweise nicht zu viel. Sie sieht zwar dünner aus, aber immer noch kerngesund. Und sie hüpft durchs Zimmer, als hätte sie Energiepillen geschluckt.
Ich denke an die Powerdusche, aus der sie mich gezerrt hat, damit sie das Paket öffnen konnte. Ich hätte noch stundenlang darunter stehen können, so herrlich war es. Aber ich darf nicht. Stattdessen schleppt sie mich ins Starbucks an der Ecke zum Frühstücken und dann zum Schaufensterbummel, damit wir über all die Beziehungen reden können, die
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