Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
fragen, ob ich mitkommen will. Na gut. Kein Problem. Damit hätte ich rechnen müssen. Was ihre Fragen angeht, habe ich auch keine Antwort, weder auf die eine noch auf die andere. Die erste kann ich im Internet recherchieren. Bei der zweiten kann ich nur raten. Und ich würde mal raten, nein.
Wenigstens redet Krähe noch mit mir. Was mehr ist, als von mir kam, seit ich aus New York zurück bin, wie mir jetzt auffällt. Ich schicke ihr sofort eine Nachricht zurück, in der ich von Jenny und dem Song erzähle und von Harry und meiner großen Klappe. Ich hatte ganz vergessen, dass Krähe schon mit einem neuen Entwurf für das Brautkleid angefangen hat, das nun meinetwegen nicht mehr gebraucht wird. Ich frage mich, was für ein Kleid es geworden wäre. Ich werde es nie erfahren.
Ich habe noch so viele Fragen an Krähe. Was sie jetzt vorhat, und wie sie sich entscheiden würde, wenn sie zwischen New York und Uganda wählen müsste. Nach Liam ist sie der Mensch, den ich im Moment am liebsten bei mir hätte, hier auf dem Boden in meinem Zimmer, selbst wenn sie gar nichts sagt. Ich vermisse, dass sie sich Bücher ausleiht. Ich vermisse ihr nervendes Schulterzucken und ihre total entspannte Art. Ich vermisse ihren ständig wachsenden Afro, und dass man nie weiß, womit sie ihn als Nächstes schmückt. Ich vermisse zu sehen, wie sie ein paar Stofffetzen nimmt und ein Kunstwerk daraus macht.
Und genau das ist der Punkt. Weil sie so gut darin ist, muss ich sie gehen lassen. Wie Jenny hat sie eine Gabe. Es wäre egoistisch von mir, wenn ich ihr sagen würde, wie sehr ich mir wünsche, dass wir zusammenbleiben. Besser, ich tue so, als wäre es mir recht, wie es im Moment läuft. Wie Edie schon gesagt hat, ich bin gut im Lügen.
Als ich die E-Mail an Krähe abgeschickt habe, google ich Jenny, um zu sehen, ob es irgendwelche neuen Neuigkeiten gibt, die mich ablenken. Normalerweise steht immer irgendwo ein Sätzchen über sie, aber heute spielt das Internet total verrückt. Jenny ist ganz oben in den Schlagzeilen. Überall stehen Geschichten über sie.
JACKSON WARD ENTDECKT NEUEN BROADWAY-STAR
WARDS KUPFERROTE GRANATE
BROADWAYS NEUER BRITISCHER DARLING
Jemand hat den Clip ihres Songs bei YouTube »durchsickern« lassen, wo er schon über 90000 Aufrufe hat. Ich kann gar nicht hinsehen. Jennys kummervolles Gesicht ist nicht das, was mich jetzt aufheitert. Doch es erfüllt seinen Zweck: Der Kartenvorverkauf für Die Prinzessinnen bricht alle Rekorde. Obwohl es noch Monate hin sind, ist es die sehnlichst erwartete Broadway-Premiere aller Zeiten.
Ich drucke die Geschichte aus, um sie später einzukleben. Liam meinte, ich soll ein Album über Jenny machen. Das Gleiche hat Mum vor Jahren für Krähe begonnen, als ihre Karriere gerade anfing. Es macht Spaß, kleine Artikel zur Show aufzustöbern und einzukleben, neben Jennys Vogue -Fotos, der Miss-Teen-Werbung auf dem Elefanten mit dem Taj Mahal im Hintergrund und den Kritiken zu dem Theaterstück, dem Film (zumindest den einigermaßen guten) und Annie . Ich will es am Wochenende Gloria vorbeibringen. Jennys Album ist die beste Ablenkung von … allem. Außer von meinem Freund. Er ist unglaublich, aber von ihm brauche ich keine Ablenkung.
Bis Sonntag ist das Album fertig. Als Liam wie verabredet kommt, um mich abzuholen und zu Gloria zu begleiten, findet er mich mit meinem traurigen Bruder am Küchentisch. Harry hat sich noch nicht verziehen, was er Isabelle angetan hat. Er musste selbst ein paar Shows absagen, weil er so fertig ist.
»Habt ihr was vor?«, fragt er.
Ich erzähle ihm von dem Album.
»Richtet Gloria gute Besserung von mir aus«, sagt er. »Kommt Edie auch mit?«
»Mhm.«
»Du könntest sie nicht vielleicht nach ein paar Ideen für gemeinnützige Aktionen fragen, oder? Ich habe das Gefühl, ich muss etwas Gutes tun. Vielleicht fällt ihr was ein.«
Ich verspreche sie zu fragen. Armer Harry. Ich wünschte, ich könnte ihm auch einfach ein Album machen. Aber ich weiß nicht, wie ein Schluss-mach-Album aussehen würde. Wahrscheinlich ist es eine Zeit, an die er lieber kein Andenken will.
Gloria sitzt in ihrem Sessel in der Küche, und Edie wuselt um sie herum und kocht Kaffee. Gloria sieht fast wieder wie die Alte aus, die Haare zu einem lockeren Knoten aufgesteckt und mit etwas mehr Fleisch auf den Rippen. Es ist schwer zu sagen was – der Schock des Krankenhausaufenthalts, die Medikamente, die sie ihr gegeben haben, Jennys Erfolg in New York oder einfach nur
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