Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
die Chemie in ihrem Gehirn –, jedenfalls hat irgendwas ihre Stimmung verändert. Sie lächelt, als wir kommen, und sie muss weinen, als sie das Album sieht und jede Seite genau studiert.
»Vielen Dank, dass du dich um meine Kleine kümmerst«, sagt sie mit schwacher Stimme und streckt mir die Hand hin. Ich nehme sie und bemerke, wie knochig und zittrig sie ist.
»Na klar«, sage ich. »New York ist so toll. Sie müssen sie bald besuchen.«
Dann fällt mir wieder ein, dass das nicht geht. Jenny hat irgendwas wegen der Reiseversicherung erzählt, und Gloria wirkt ohnehin zu gebrechlich, um zu fahren. Es ist mir peinlich, aber Liam rettet mich.
»Eine schöne Wohnung haben Sie, Gloria. Sehr gemütlich.«
Sie lächelt ihn dankbar an. »Edie hält alles für mich in Schuss.« Sie winkt ihn heran, und er beugt sich vor. »Edie hat mir das Leben gerettet, weißt du?«
»Ach, so ein Unsinn«, wirft Edie ein und wird feuerrot, während sie an der Kaffeekanne herumhantiert. So wie sie in der Küche herumwuselt, erinnert sie mich an ihre Mutter, nur eine größere, verkopftere Version von ihr, mit einem besseren Haarschnitt.
»Doch«, sagt Gloria ernst und sieht meinem Freund tief in die wunderschönen blauen Augen. »Mehr als einmal. Sie tut es ständig.«
Edie lacht. »Ständig? Ich hab nur einmal den Notarzt gerufen. Das hätte doch jeder getan.« Sie ist verlegen. Aber Gloria schüttelt den Kopf.
»Es war aber nicht jeder an deiner Stelle. Wer sonst wäre schon mitten in der Nacht vorbeigekommen?«
»Kaffee?«, fragt Edie, um das Thema zu wechseln.
»Und die ganzen anderen Male, als du vorbeigekommen bist«, fährt Gloria fort, ohne auf sie zu hören. »Du wusstest nicht einmal, ob du mir hilfst oder nicht, aber du hast es getan. Du hast sogar deinen Platz in Harvard dafür geopfert. Du brauchst es nicht abzustreiten, Edie, ich weiß es.«
Edie zuckt zusammen. Wahrscheinlich erinnert sie sich gar nicht mehr, dass sie Gloria von dem ganzen Stress im letzten Halbjahr erzählt hat, aber schließlich war sie jeden Tag da und hat mit ihr geplaudert.
»Nein«, erwidert sie, »ich habe gar nichts geopfert, Gloria, keine Sorge.«
»Doch«, beharrt Gloria. »Wenn du nicht jeden Morgen hierhergekommen wärst, hättest du mehr Zeit gehabt …«
»Nein, so meine ich es nicht.« Edie stellt ein paar Becher auf den Tisch und beginnt Kaffee auszuschenken. »Ich habe den Platz bekommen. Letzte Woche kam der Brief.« Dann lässt sie sich neben mir auf einen Stuhl fallen. Und sagt, als wäre sie selbst verblüfft: »Ich habe sogar ein Stipendium bekommen. Seht mal.«
Sie zieht ein sehr zerknittertes Blatt aus der Tasche und legt es auf den Tisch. Das Papier wurde offensichtlich häufiger auseinander- und zusammengefaltet, aber bis jetzt hat Edie kein Wort darüber verloren. Und wirklich, es ist ein Brief von Harvard mit dem Glückwunsch zum Stipendium. Wir starren ihn an, Edie eingeschlossen.
»Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagt sie. »Unsere Direktorin sagt, sie hätte mir eine super Empfehlung geschrieben. Und sie haben sich alles angesehen, was ich in den letzten Jahren gemacht habe. In den Tests habe ich am Ende doch ganz gut abgeschnitten. Aber …«
»Alles in Ordnung, Nonie?«, sagt Liam, der mich besorgt ansieht.
»Klar«, sage ich. »Ich habe mir nur vorgestellt, wie Edie nach Boston zieht. Herzlichen Glückwunsch! Boston! Wow! Amerika! Fantastisch! Juhu!«
Ich stammele. Aber sie werden mir so schrecklich fehlen. Edie. Und Jenny. Und Krähe …
Oje. Gestern war Krähes Kamelhaar-Meeting. Sie hat weder angerufen noch gemailt. Heißt das, sie haben ihr einen Job angeboten, und sie traut sich nicht es mir zu sagen? Oder wollten sie sie doch nicht, und das will sie mir auch nicht sagen?
Edie hüstelt und macht ein verlegenes Gesicht.
»Also, ehrlich gesagt«, sagt sie, »ich gehe nicht. Ich habe schon angerufen und abgesagt.«
»WAS?«, rufen wir wie aus einem Mund.
Edie lächelt. »Seit Weihnachten habe ich meine Meinung nicht geändert. Harvard ist nichts für mich. Oder Boston. Du hast es die ganze Zeit gewusst, Nonie. Ich hätte schreckliches Heimweh. Außerdem will ich nicht mein ganzes Leben im Flugzeug verbringen. Ich will hier arbeiten. In London. Ich will Psychiaterin werden, glaube ich.«
Gloria seufzt und hält Edie ihre knochige Hand hin, die sie nimmt. Edie wollte Gloria von Anfang an heilen. Und wenn sie ihre ganze Karriere darauf ausrichtet, wird sie es auch schaffen.
»Ich
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