Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
ganze Kostümabteilung durchquert, als ich sie endlich entdecke. In dem goldenen Lurexkleid mit passendem Umhang und Mickymaus-Ohren ist sie schwer zu übersehen. Sie zeichnet ein kompliziertes Paar Manolo-Blahnik-Schuhe ab.
»Oh, hallo«, sagt sie und sieht mich überrascht an. »Das ist ja ein Zufall.«
»Nein, ist es nicht«, erkläre ich. »Ich komme immer ins V&A. Und du auch. Hör mal, ich wollte wissen, was gestern bei dem Treffen mit den Kamelhaarmännern rausgekommen ist. Komm, geh mit mir ins Café. Dann kannst du mir alles erzählen.«
Krähe steckt den Skizzenblock in ihre Schultasche und folgt mir durch die Skulpturenabteilung zum Café, wo wir uns an einen Tisch unter eine der riesigen Hüpfball-Lampen setzen. Ich warte darauf, dass sie etwas sagt. Sie wartet darauf, dass ich etwas sage.
»Und?«
»Was?«
»Was haben sie gesagt?«, frage ich. »Wollen sie dich als Designerin? Wollen sie, dass du nach New York kommst?«
Krähe neigt nachdenklich den Kopf. Ich könnte sie schütteln.
»Ja, ich schätze schon«, sagt sie irgendwann. »Das hat mir jedenfalls der Senior Vice President Talent und Dings danach in einer E-Mail geschrieben.«
»Gut. Toll«, sage ich. »Dann habe ich mich wenigstens nützlich gemacht!«
Ich lache künstlich. Es klingt wie Wasser, das in den Abfluss läuft.
»Nützlich?«, fragt sie.
»Dir den Job zu besorgen. Deine Skizzen zu verschicken. Du weißt schon. Das ganze Zeug.«
Krähe sieht mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Sie wirkt verblüfft. Vielleicht sogar ein bisschen wütend. Auf jeden Fall nicht dankbar.
»Aber sie wollten meine Ideen nicht.«
»Mmh? Welche Ideen?«
»Die Fairtrade-Baumwolle. Die bedruckten Stoffe. Sie finden meine Skizzen gut, aber sie wollen, dass ich ganz normale Stoffe von ihren normalen Lieferanten verwende. Sie haben gesagt, ich soll mich nicht darum kümmern, wo die Stoffe herkommen.«
»Das ginge doch auch, oder nicht?«, frage ich.
»Ich will aber nicht«, sagt Krähe. »Es geht doch genau darum, dass ich mit den Leuten zu Hause in Uganda zusammenarbeiten will. Es waren die Muster, die mich inspiriert haben.«
Ich stelle mir vor, wie Krähe mit verschränkten Armen vor den Kamelhaarmännern saß, während sie versucht haben Krähe umzustimmen. Ich wette, es war schwierig. Unwillkürlich muss ich lächeln.
»Du könntest doch auch Kompromisse machen, oder?«
Krähe schüttelt den Kopf. »Warum sollte ich? Wir haben nie Kompromisse gemacht.«
»Und was hast du gesagt?«, flüstere ich.
Sie zuckt die Schultern. »Ich habe natürlich Nein gesagt. Ich wollte sowieso nicht für sie arbeiten. Ich war nur bei dem Meeting, weil du meintest, dass ich hingehen soll. Und ich fand es schrecklich. Ich will nicht allein nach New York. Ich will nicht für eine große Firma arbeiten. Sie haben sich überhaupt nicht für meine Entwürfe interessiert. Es ging nur um die Sachen, die über mich in der Zeitung standen. Und in die Zeitung bin ich nur deinetwegen gekommen.« Jetzt sieht sie noch wütender aus.
Ich dagegen nicht. Ich sehe glücklich aus, das weiß ich. Ich spüre, wie eine kleine Wolke Glück über mir aufsteigt und in Richtung Hüpfball-Lampe schwebt.
»Edie hat gesagt, du hast was gegen die Vorstellung, dass wir uns alle trennen«, sage ich. »Das war mir nicht klar.«
»Nonie«, sagt sie. »Manchmal kannst du echt dusselig sein.«
»Ja.« Ich grinse. »Ich weiß. Tut mir leid. Aber ich wollte, dass du deine Träume verwirklichst. Das ist dein großer Moment.«
»Ich verwirkliche doch meine Träume«, schnaubt sie. »Ich will Kunst studieren, solange du auf dem College bist. Deswegen habe ich dich in letzter Zeit in Ruhe gelassen. Damit du zum Lernen kommst. Ich habe es dir doch gesagt. Ich will alles über Picasso wissen. Er stand total auf afrikanische Kunst. Er ist echt cool. Dann irgendwann will ich ein eigenes Label gründen, genau wie wir es besprochen haben. Nur ein kleines Label für den Anfang, mit meinen eigenen Sachen. Du kannst mir bei den Ideen helfen. Du bist genial, Nonie. Viel besser als irgendwelche Kamelhaarmänner. Außerdem …« Sie hält inne, und ihre Augen glitzern. »Außerdem würde ich sowieso nur ein Label haben wollen, wenn du mitmachst.«
Jetzt glitzern meine Augen auch. Es stimmt, das alles hat sie irgendwann zu mir gesagt. Ich habe nur nicht zugehört. Ihr Gesicht hellt sich auf, und ihre Mickymaus-Ohren, so stark ist ihr Lächeln. In diesem Moment wird mir zum ersten
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