Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
einzieht?«
»Natürlich. Wenn du ihn so lieb hast, muss er ja nett sein. Ich gewöhne mich schon an ihn. Solange er nicht von mir verlangt, dass ich dauernd aufräume …«
»Oh, Gott sei Dank.«
Nach dem Gespräch gehe ich hoch in mein Zimmer und starre durchs Fenster über die Dächer von Kensington in den blauen Himmel. Es ist dieselbe Aussicht, die ich immer hatte, aber irgendwie wirkt sie neu. Es hat sich etwas verändert. Ich stehe lange am Fenster, bis ich darauf komme, was es ist.
Ich habe mich verändert. Es ist, als hätte ich einen Teil von mir gefunden, der mir mein Leben lang gefehlt hat. Zwar habe ich dabei auch rausgefunden, dass meine Menschenkenntnis SCHROTT ist, vor allem, wenn es um meine eigene Mutter geht, und dass ich meinem Bauchgefühl nie wieder trauen kann. Doch ich fühle mich ganz, und federleicht. Mum hat gesagt, ich wäre mutig, aber im Innern hatte ich immer schreckliche Angst vor der Zukunft. Als wäre ich noch nicht bereit dafür. Als wäre ich nicht gut genug. Aber jetzt bin ich es.
Ich schicke Liam eine Nachricht.
»habe mit mum geredet. du hattest recht. lieb dich, xxx.«
Ich starre den Text eine Weile an. Es ist das erste Mal, dass ich Liam schriftlich gebe, dass ich ihn liebe, auch wenn es ihm inzwischen klar sein müsste. Doch wenn man es auf dem Display sieht, ist es plötzlich eine große Sache. Ich frage mich, ob ich es wirklich abschicken soll. Bin ich damit vielleicht eine von diesen klammernden Kletten, die kein Junge leiden kann?
Dann fühle ich mich wieder federleicht. Wenn man jemanden liebt, dann muss man es auch sagen dürfen. Diesmal glaube ich, dass alles gut wird.
Und drücke auf Senden.
Harry steht am DJ-Pult. Discomusik wummert im Wohnzimmer, und normalerweise wäre das der Zeitpunkt, an dem Peter Anderson hereinstürmt und anfängt aus vollem Hals herumzubrüllen. Nur dass er dafür diesmal keine Zeit hat. Er ist viel zu beschäftigt mit Mum zu tanzen. Wahrscheinlich ist er der ungeschmeidigste Tänzer, den ich je gesehen habe, aber Mum scheint es nicht zu stören. Sie strahlt ihn an. Wenn Jenny hier wäre, wäre sie total entzückt, was für ein reizendes Paar die beiden abgeben, aber das ist das Problem, wenn man eine Freundin hat, die ein Broadway-Star ist. Sie ist nie da. Sie tritt immer noch vor ausverkauften Sälen in New York auf und tingelt als »die neue Audrey Hepburn« durch die Modepresse und als »die neue Julie Andrews« durch die Unterhaltungspresse. Und was noch komischer ist – jedes Mädchen, das einigermaßen singen kann und bei Amerika sucht den Superstar auftritt, wird sofort als »die neue Jenny Merritt« tituliert. Jenny ist also schon die alte Version ihrer selbst! Dabei ist sie noch nicht mal neunzehn. Morgen hat sie ein Shooting für Vanity Fair. Die wissen nicht, worauf sie sich eingelassen haben. Jenny fehlt mir so.
Krähe ist gerade aus Uganda zurückgekommen. Sie hat Henry bei seiner neuen Schule abgeliefert und Zeit mit Victoria verbracht. Sie kommt bei uns vorbei, meinen wunderschönen College-Freund im Schlepptau. Na ja, streng genommen geht er noch nicht aufs College, aber wir fangen nächste Woche zusammen an, und wenn sie mich das Fach wechseln lassen, studiere ich mit ihm Journalismus. Immerhin habe ich gerade die stylischste Frau der Welt interviewt. Da müssen sie mich nehmen, oder?
Liam trägt Jeans, perfekte Turnschuhe und eine asymmetrische Jacke von einem Vintage-Markt, die ich ihm vom Honorar für meinen ersten Artikel gekauft habe. Darin sieht er noch cooler und schöner aus als sonst. Unglaublich, dass er mein Freund ist. Ich küsse ihn nur, um mich zu vergewissern. Er hält meine Hand und reibt gedankenverloren mit dem Finger über meine Cocktailringe. Das macht er immer. Er ist eben mein Freund.
»Willst du tanzen?«, fragt er. »Ich wollte dich schon längst auffordern, aber ich habe Angst um dein Kleid. Hält es das aus?«
Ich trage ein Kleid aus alter Spitze mit einem skulpturalen Oberteil und einem Rock in der Form spitz zulaufender Blütenblätter, in dem ich wie eine Fee aussehe. Ursprünglich wollte Krähe aus der Spitze die neueste Version von Isabelles Brautkleid nähen, doch plötzlich wurde sie nicht mehr gebraucht. Wir haben Harry nicht gesagt, wo die Spitze herkommt, aber es wäre Verschwendung gewesen, sie einzumotten. Krähe trägt ein Maxikleid, das sie aus dem berühmten Hände-haltende-Mädchen-Stoff genäht hat. Sie könnte die Rechte auf das Muster für Millionen an einen
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