Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
«Wir werden morgen zwei Flugzeuge mit vierzig Tonnen Nachschub hier haben.» Liebmann nickte. Ein Gedanke ergriff von ihm Besitz, und er überlegte sorgfältig, ob er darüber sprechen sollte. Schließlich fragte er: «Sind Sie mit Ihrem Budget für die Operation zufrieden, Karz?»
Die Eidechsenaugen blinzelten einmal. «Wollen Sie wissen, wie hoch es ist?»
«Nein, nur ob Sie damit zufrieden sind.»
«Ich verfüge über den Gegenwert von einhundert Millionen Dollar.»
Liebmann kalkulierte rasch. Fünfundvierzig Millionen für Luftoperationen, fünfzehn für Waffen und Munition, etwas mehr als dreißig Millionen zur Abfindung der Söldner, eine oder zwei Millionen für die Verpflegung der winzigen Armee, vier Millionen für die Aktionen zu Wasser und allgemeine laufende Ausgaben.
Das ließ noch Raum für eine kleine Reserve.
«Ein sehr gutes Budget. Die Höhe überrascht mich.»
«Sie halten es für eine große Summe?»
«Ja.»
«Die Engländer geben den gleichen Betrag in einer bis zwei Wochen beim Spiel aus. Es ist wenig, ein Nichts, wenn man es mit dem Gewinn vergleicht.»
«Ja, der Gewinn ist enorm. Besser als bei dem Tibet-Unternehmen.»
«Viel besser. Es nahm uns zwei Jahre in Anspruch, und mein Budget war dreimal größer.»
Liebmann dachte an das Tibet-Unternehmen. Es war nicht uninteressant gewesen, bestand jedoch im wesentlichen nur aus Hetzjagden und Schlächtereien, was mit der Zeit langweilig wurde. Diese Operation hier, mit einer festgefügten Söldnerarmee, die war unvergleichlich befriedigender.
Er faltete die Meldung zusammen und steckte sie in die Tasche. «Ich werde Ihre Befehle bezüglich Blaise und Garvin sofort an den Rekrutierungsoffizier weitergeben», sagte er.
Der Vortragssaal war alt, klein und schäbig. Er faßte zweihundert Personen. An der einen Wand, hinter einer niedrigen Bühne, hing ein verschlissener Vorhang, der nie zugezogen wurde, weil die Rollen verrostet waren und klemmten. In der anderen, gegenüberliegenden Wand waren zwei eng beieinanderliegende kleine quadratische Löcher zu sehen. Hinter dieser Wand befand sich, entsprechend höher als der Saal gelegen, die Vorführkabine.
Tarrant sah Boothroyd, seinem Mann aus dem Department, dabei zu, wie er die Dias sortierte und einlegte. Die Vorführkabine besaß einen Film- und einen Dia-Projektor.
Einige der Dias hatte Tarrant bereits studiert. Sie verfolgten alle den Zweck, die Armut, den Schmutz und die Bedrückung vor Augen zu führen, unter denen die arabischen Menschen leben mußten. Es war sehr unwahrscheinlich, daß auch nur einer dieser Schnappschüsse tatsächlich aus Kuwait stammte, aber das war unwichtig. Die meisten Leute, die diesen Vortrag besuchten, würden bereit sein, alles zu glauben, was man von ihnen zu glauben verlangte.
Das Publikum würde sich aus Sonderlingen, Narren, ausländischen Studenten, hitzigen Idealisten und Verrückten zusammensetzen. Möglicherweise würde sich einer oder zwei mit klarem Verstand darunter befinden, und zwar dienstlich eingesetzte Kollegen, die festzustellen hatten, ob hier Wasser auf ihre Mühlen gegossen würde. Und vielleicht würde es auch den ewigen Fragesteller geben.
Es bereitete Tarrant Krämpfe, wenn er an die Schwierigkeiten dachte, die sein Assistent, Jack Fraser, gehabt hatte, bevor er den Mann vom Geheimdienst hier als Vorführer unterbrachte, ohne dabei Aufmerksamkeit zu erregen. Es waren immer die kleinen Dinge, die so verdammt schwierig waren. Aber Fraser hatte es hinbekommen.
Tarrant trat an das Guckloch und blickte hinunter.
Der Eingang zum Saal lag am entgegengesetzten Ende rechts von der Bühne. Diese Tatsache war für Modesty Blaise und Willie Garvin nicht gerade günstig.
Hier konnten sie nicht unauffällig von hinten hineinschlüpfen. Tarrant fragte sich, was sie wohl tun würden. Vielleicht würden sie erst kommen, wenn die Vorführung der Dias bereits begonnen hatte und der Saal im Halbdunkel lag.
Besonders Modesty würde allen Leuten mit klarem Verstand auffallen. An einem Ort wie diesem würde sie hervorstechen wie ein Rennpferd bei einer Nutzviehschau.
Tarrant sah sich im Saal um. Die beiden ersten Reihen waren leer.
Auf den übrigen Holzstühlen hatten etwa fünfzig Leute Platz genommen und warteten geduldig. Nach gewissen Zeitabständen kamen neue Besucher hinzu, einzeln oder zu zweit. Seltsam, so überlegte Tarrant, daß ihm noch keine Gruppe mit dreien oder mehreren aufgefallen war.
Ein verdrossen dreinblickender Mann kam
Weitere Kostenlose Bücher