Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
zu erkämpfen. Eines Tages», er machte eine Pause und ließ den Blick langsam über sein Auditorium schweifen, «eines Tages, und zwar bald, meine Freunde, werden die Unterdrücker das Gewicht unseres Zornes zu spüren bekommen. Wir sind nicht machtlos. Allmählich bauen wir eine Armee geweihter Männer auf, um zu nehmen, was Rechtens unser ist. Damit die frischen Winde der Freiheit durch das Land wehen können, durch das Land, das wir lieben.» Es-Sabah Solon legte die Handflächen gegeneinander und sprach mit langsamem Nachdruck: «Wollen Sie uns dabei unterstützen?
Ich glaube, Sie werden es tun. Aber Sie werden mich fragen – wie? Ich will es Ihnen sagen. Wir bitten nicht um Geld.» Ein schwaches Raunen der Billigung ging durch den Saal. «Wir bitten Sie bloß um Ihren guten Willen. Wir bitten Sie, für uns zu arbeiten und uns zu helfen, ein Klima zu schaffen, in dem unsere Ziele als die ehrlichen, wahren und demokratischen Ziele betrachtet werden, die sie auch wirklich sind. Wollen Sie Ihren Abgeordneten im Parlament – Ihrem Parlament, der Mutter der Demokratie – schreiben? Wollen Sie an die Presse schreiben? Wollen Sie in Ihren Gewerkschaften und Parteiversammlungen Anträge einbringen, egal, um welche Partei es sich handelt?»
Es-Sabah Solon drückte bei jeder Frage die Handflächen sachte zusammen, als wolle er seinen Worten Nachdruck verleihen. «Wollen Sie uns helfen, den Menschen der ganzen Welt zu sagen, daß es uns gibt?
Daß wir eine große und gute Sache vertreten? Und wenn die Zeit reif ist und wir unseren großen Schlag für die vierhunderttausend unterdrückten Kuwaiter führen, wollen Sie dann unsere Arbeit gutheißen, mit all Ihrer Macht und all Ihren Mitteln?» Er breitete die Arme weit auseinander. «Sie sind ein freies Volk. Bitte, helfen Sie meinem Volk, das in Ketten liegt.» Er schwieg eine geziemende Weile, dann fügte er mit einer vor Rührung zitternden Stimme hinzu: «Ich glaube nicht, daß Sie uns Ihre Hilfe verweigern werden.»
Prasselnder Applaus ertönte. Es-Sabah Solon nippte an einem Glas Wasser, während sich der grauhaarige Parlamentsabgeordnete erkundigte, ob jemand eine Frage habe.
Ein Mann von weißer Gesichtsfarbe und stechendem Blick stand auf, räusperte sich nervös und sagte:
«Ich würde den Herrn gerne fragen, was er mit der Armee meint. Will er damit sagen, daß er die Absicht hat,
Gewalt
anzuwenden?»
«Nein!» Es-Sabah Solon war aufgesprungen und rief es mit heftiger Stimme und einem Anflug von Empörung. «Die Freie Kuwait-Regierung wird
niemals
einen Akt der Gewalt setzen. Es muß vielmehr klargestellt werden, daß der Krieg in Kuwait bereits
besteht
. Der Krieg zwischen den hilflosen und unbewaffneten Menschen und ihren vom Ausland unterstützten Beherrschern.» Er schüttelte ernst den Kopf. «Wenn diese armen Menschen, diese Männer, Frauen und Kinder um Hilfe schreien, dann können wir uns nicht weigern, sie zu verteidigen, egal, auf welche Art.»
Irgend jemand klatschte laut. Der Mann mit der weißen Gesichtsfarbe setzte sich verwirrt nieder.
Nun erhob sich der indische Student und sagte rasch, mit gekappten Worten, die ineinander überflossen: «Ich verstehe eines nicht: soviel ich mitbekam, behaupteten Sie, die Freie Kuwait-Regierung besäße bewaffnete Streitmächte. Nun ist es gewiß eine allseits bekannte Tatsache, daß der Unterhalt bewaffneter Streitkräfte mit einem beachtlichen finanziellen Aufwand verbunden ist. Was halten Sie von dieser von der Regel abweichenden Situation? Und wo könnte eine derartige Armee ihre Basis haben?»
Es-Sabah Solons Lächeln drückte eine Spur Bewunderung aus. «Hier spricht ein scharfsinniger und praktisch veranlagter junger Mann. Seine Frage verlangt eine offene Antwort, und ich will sie ihm geben. Seit mehr als zwei Jahren bereisen meine Regierung und ich die Welt. Überall sprachen wir zu den Menschen so wie heute abend zu Ihnen. Überall gewannen wir Unterstützung. Wir baten nicht um Geld – es wurde uns aufgezwungen, von Reichen ebenso wie von Armen.»
Das Publikum wurde unruhig. Sollte etwa doch eine Sammlung durchgeführt werden? «Sie fragen, wie wir unsere Armee unterhalten», fuhr Es-Sabah Solon fort, «und ich sage Ihnen, daß Sie und alle Männer und Frauen, die guten Willens sind, sie jetzt unterhalten, mit Ihrer Sympathie und Ihrem Verstehen.»
Die Zuhörer entspannten sich.
«Sie fragen, ob unsere Armee existiert. Ich antworte: ja, sie existiert in den Herzen der Freiwilligen, die
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