Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
abwarten.
Sie entschloß sich, ihn dazu zu bringen, daß er noch einige Musikkritiken von sich gab; seine letzten Ausführungen waren zu kurz gewesen – Irgend jemand ganz in ihrer Nähe sagte plötzlich: «Hallo.»
Sie öffnete die Augen. Dicht vor ihr hockte ein Mann in einem blauen Hemd; er trug Sandalen und khakifarbene Shorts. Er war Mitte Zwanzig, hatte ein eckiges Gesicht, dunkles Haar und kleine, harte Augen.
Er grinste und sagte in einem nicht akzentfreien Englisch: «Möchten Sie nicht mit mir und meine Freunde fahren ein bißchen Boot?»
Seinem Akzent nach zu urteilen, war der Mann Italiener oder Sizilianer. Ihren ersten Gedanken, daß es sich um ein simples Anbändeln handeln könnte, gab sie auf, sobald sie die Augen geöffnet hatte. Irgend etwas in der Haltung des Mannes versetzte sie sofort in Alarmbereitschaft. Die Situation war gefährlich, soviel war klar. Eigentlich war sie überrascht, denn wenn das die Annäherung war, die sie provoziert hatte, dann kam sie unglaublich rasch und auf eine unerwartet bedrohliche Art und Weise.
Sie stützte sich auf einen Ellbogen, sah den Mann an und drehte sich herum, um nach dem Freund zu sehen, der lässig auf einem untergezogenen Bein saß und einen zerknitterten Baumwollhut in der Hand hielt. Der Freund war etwas größer, aber vom gleichen Typ. Einige Meter vom Strand entfernt schaukelte ein gedecktes Motorboot mit zwei Kabinen. Ein Mann befand sich an Bord, ein zweiter stand im knietiefen Wasser und hielt den Bug, um zu verhindern, daß das Boot auf Grund lief.
Modesty sagte: «Nein, ich möchte nicht Boot fahren, vielen Dank.»
Der Mann nickte seinem Freund zu. «Emilio möchte aber unbedingt. Er sagt, es ist notwendig.»
Emilios Lippen lächelten, aber seine Augen blieben wachsam. Er machte eine Handbewegung, und sie sah, daß er unter dem zerbeulten Hut ein Schießeisen mit Schalldämpfer verborgen hielt. Es war ein Smith & Wesson-Revolver mit abgedecktem Abzugshahn und Sicherungsgriff. Die Vorderseite des Sicherungsbügels war weggeschnitten worden. Sein Finger lag am Abzug, die Waffe war entsichert. Sie sah ihm in die Augen und analysierte dabei blitzschnell die Situation. Sie trug bloß den Badeanzug und ein Paar leichte Sandalen.
Ihr Haar war nicht zu einem Knoten aufgesteckt, wo sie gelegentlich den Kongo verborgen hielt. Der Tränengaslippenstift war zu Hause im Schlafzimmer.
Pistole hatte sie auch keine in ihrer Handtasche, die mit ihrer Bluse und den Shorts in der großen Strohbadetasche lag. Die Handtasche enthielt eine kleine Make-up-Dose, ein Manikürzeug, Lippenstift, Zigaretten und Feuerzeug, etwas Geld und zwei Taschentücher.
Ihre einzige Waffe war der große Bügel der Handtasche, ein Ding aus schwarzem, poliertem Holz mit einer kleinen Halbkugel an jedem Ende. Er wurde durch eine Klammer auf der anderen Seite der Tasche festgehalten und konnte abgerissen werden, um einen Kongo abzugeben.
Der Mann, der zuerst gesprochen hatte, sagte: «Wir gehen jetzt.»
Er erhob sich und trat zurück. Emilio verblieb in seiner Stellung, den entsicherten Revolver in der Hand.
Sie erhob sich auf die Knie und klopfte mit den Händen den Sand von ihrem Körper. Bei ihrer ersten Bewegung zuckte der Revolver ein wenig. Der Sprecher, noch immer lächelnd, sagte mit einem bösartigen Wispern: «Nein! Hände an die Seite und vorwärts. Aber langsam. Gesicht zu mir.» Sie stand auf. «Soll ich meine Sachen mitnehmen?»
Er blickte schnell den Strand entlang, zögerte einen Moment, dann sagte er: «Wir nehmen sie.» Rasch hob er die Badetasche und die Strohmatte auf. Mit einem Nicken bedeutete er ihr, ihm zu folgen, und ging selbst voran zum Boot. Sie wußte, daß Emilio hinter ihr ging, den versteckten Revolver auf ihren Rücken gerichtet.
Sie senkte den Kopf und schielte zur Seite, um seinen Schatten zu beobachten, den er schräg auf den Sand warf. Als Fachmann hielt er sich zwei Armlängen von ihr entfernt – ein guter Abstand, der kaum einen Gegenschlag erlaubte.
Der Mann vor ihr platschte ins Wasser, wartete auf sie, lächelte einladend, für den Fall, daß ihn jemand beobachtete, reichte ihr die Hand und half ihr in das Boot. Eine Geste deutete an, daß sie auf der Backbordseite mittschiffs Platz zu nehmen habe. Emilio setzte sich ihr gegenüber. Die Waffe war nun unverhüllt auf sie gerichtet.
Nun kletterte der Sprecher an Bord und hinter ihm der Mann, der den Bug gehalten hatte. Sie blickte ihn an und sagte auf italienisch: «Heißen Sie
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