Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
Garvin?»
«Sein Findelkind – Lucille – erwartet ihn dort.»
«Ach ja. Und was machst du?»
«Lucille erwartet auch mich. Es ist möglich, daß ich Schritte unternehmen muß, um mein Haus dort zu verkaufen.»
«Es wird dir abgehen. Du hast es schon lange. Aber immerhin wird es dir eine Menge einbringen, so daß du ein Anfangskapital hast.»
«Das kann ich nur hoffen, daß es eine Menge einbringt. Ich habe dir ja gesagt, daß bereits eine Hypothek darauf ist. Jedenfalls erreichst du mich dort während der nächsten drei Wochen telefonisch oder telegrafisch. Es sei denn, Willie und ich haben bis dahin selbst einen Job gefunden.»
«Okay.» Er erhob sich. «Bekomme ich noch ein Frühstück, ehe ich packe?»
«Sei nicht albern.» In ihrem Lächeln lag Zuneigung.
«Ich komme sofort und frühstücke mit dir.»
«Und schwimmen darf ich auch noch einmal gehen?»
«Nein. Anschließend mußt du wegfahren, Mike. Ich habe noch etwas zu tun heute morgen.» Seine Augen leuchteten belustigt auf. «Praktizierst du vielleicht immer noch die Betrachtung deines Nabels?»
«Warum nicht? Ich finde Yoga herrlich, wenn ich Spannungen loswerden und mich ins Gleichgewicht bringen will. Es wirkt.» Sie ging zur Tür. Während sie sie öffnete, sah sie noch einmal auf ihn zurück, und ein kurzes, schelmisches Grinsen huschte über ihr Gesicht.
«Zur Abwechslung werde ich einmal selber meinen Nabel betrachten.»
Zweihundert Meter von der Villa entfernt, etwas abseits von der Hauptstraße, blickte ein Mann von seiner Zeitung auf, die er las, während er hinter dem Steuer eines abgestellten Simca saß. Er trug einen leichten rehbraunen Anzug, ein cremefarbenes Hemd mit dazupassender Krawatte und einen weichen cremefarbenen Popelinhut mit schmaler Krempe. Sein Gesicht war hager und dunkel.
Er warf einen Blick auf die Uhr, dann auf die zwischen den Bäumen fast verborgene Villa, und dann widmete er sich wieder seiner Zeitung.
Es war bereits unangenehm warm im Wagen und würde noch heißer werden, aber er würde hier ausharren müssen, bis die Aufgabe, die ihm aufgetragen worden war, erfüllt war.
Diese Unannehmlichkeit war nichts im Vergleich zu dem Unwillen des Herrn, dem er diente.
10
Modesty Blaise lag auf einer Strohmatte im Sand. Die Sonne brannte noch, aber die heißesten Stunden des Tages waren schon vorbei. Nicht mehr als ein Dutzend Leute hielten sich jetzt auf dem kleinen Strand östlich von Cascais auf. Die nächstgelegene Gruppe war gut fünfzig Schritt von Modesty entfernt.
Mike Delgado war abgefahren – vielleicht nach Lissabon, vielleicht zum Flughafen. Sie hatte ihn nicht gefragt, was er vorhatte. Um die Mittagsstunde hatte sie Willie Garvin in dessen Lissaboner Hotel angerufen.
«Hallo, Prinzessin! Sieht ganz so aus, als ob unser alter Freund und sein Kollege gut gearbeitet hätten.» Er meinte Tarrant und René Vaubois.
«Ja. Es läuft alles wunderbar, Willie. Ich glaube allerdings, daß von Mike kein Hinweis zu erwarten ist.»
«Hast du ihn angebohrt?»
«Ich habe ihm klargemacht, daß wir zu haben sind. Er reagierte nicht.»
«Hm. Man müßte meinen, daß er früher oder später von einer derartigen Gesellschaft Wind bekommt.»
«Vielleicht ist es noch zu früh. Kann sein, es gibt gar keine Gesellschaft, oder sie sind sehr gerissen. Sicherlich können Sie es sich nicht leisten, jemanden einzuweihen, bevor er sich ihnen nicht ausgeliefert hat – und sie ihn in der Hand haben.»
«Damit könntest du recht haben. Also, was geschieht jetzt?»
«Wir fahren wie vorgesehen in zwei Tagen nach Tanger. Ich habe Mike gesagt, er könne mich dort erreichen. Wenn er schon selbst nichts wissen sollte, so wird er zumindest verbreiten, daß wir zu haben sind. Sein Wort in die rechten Ohren, und schon wird man bei uns anklopfen.»
«Bin ganz deiner Meinung. Unternimmst du heute abend etwas, Prinzessin?»
«Oh, mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin überzeugt, du bist schwer engagiert.»
Sie hörte ihn lachen. «Das Dumme ist nur, diesmal ist es romantisch.»
«Das ist doch gut, oder?»
«Sie ist romantisch. Sie will, daß ich den Abend mit ihr bei den
Fado
-Sängern verbringe, die von unglücklicher Liebe winseln. Zu depressiv für meinen Geschmack.»
«Du hast schon wieder Musikkritiken gelesen. Nun gut, aber was könnten wir tun, damit es nicht depressiv wird?»
«Zunächst sollten wir kein allzu vergnügtes Gesicht zeigen, nach dem, was in den Zeitungen steht. Es könnte den unrichtigen Leuten
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