Modesty Blaise 04: Ein Gorilla für die Lady
Edelsteinschneider-Werkstatt in ihrem Penthouse, und sein Erstaunen verflog.
«Da ist noch etwas Wichtigeres», sagte Modesty gerade.
Willie Garvin nickte, und sein Gesicht verhärtete sich zu einem unguten Ausdruck. «Wichtiger für später.»
«Ja.»
Ein langes Schweigen.
Endlich sagte Collier entschuldigend: «Ich glaube, Dinah würde gern erfahren, was das ist. Ich jedenfalls ja.»
Modesty wandte sich ihm zu und betrachtete ihn, wie er da auf dem Bett lag. «Verzeihung, Steve», sagte sie und lächelte. «Wir sprechen von Presteign.»
Er stützte sich auf die Ellbogen und starrte sie an.
«Presteign? Das habe ich dich nicht sagen hören.»
«Nun, wir haben an ihn gedacht. Presteign wählt seine Leute eigenhändig aus. Das tat er auch mit Skeet Lowry.»
«Na und?» fragte Collier nach einer Weile.
Sie schien überrascht, fuhr dann aber fort: «Skeet arbeitet für den Mann, der die Rechnung bezahlt. Für niemand sonst.»
«Sind denn nicht Delicata und Gabriel diejenigen, die die Rechnung bezahlen?»
«Nein. Es ist Presteign. Er hat Skeet ausgewählt. Das hat er selbst gesagt. Ich habe dir doch die ganze Unterhaltung geschildert, Steve.» Wieder hielt sie inne, als hätte sie alles gesagt, was zu sagen war.
Willie drehte sich auf die Seite, um Collier anschauen zu können. «Sie haben auf uns gewartet», sagte er geduldig. «Demnach muß irgend jemand ihnen gesagt haben, daß wir kommen. Und der gleiche Jemand hat Skeet angewiesen, uns da abzusetzen, wo wir ihnen direkt in die Arme laufen. Es gibt nur einen Schweinekerl, der das tun konnte – Presteign.»
«Presteign?» Collier konnte den Gedanken nicht fassen. «Aber der – verdammt, der verfügt doch über ein industrielles Imperium! Er, der oberste Philanthrop und spendefreudigste Wohltäter des Landes!»
«Er kann es sich leisten», bemerkte Modesty trocken.
«Weißt du nicht, daß es Leute gibt, die Bücher stehlen, diese dann verkaufen und das Geld dafür an Bettler verteilen? Es ist nur eine Frage des Maßstabs.»
Collier verspürte ein wildes Verlangen zu lachen. Er unterdrückte es und sagte: «Eine Frage des Maßstabs also. Ich verstehe. Weißt du, es gibt Augenblicke, da weiß ich nicht recht, ob du einen übergroßen Sinn für Humor hast oder ob ich übergeschnappt bin.»
«Presteign sagte uns, dies hier wäre eine tote Funkzone», sagte Modesty. «Das sollte uns nur davon abhalten, eine Funkverbindung mit Tarrant einzurichten.
Hier ist keine tote Funkzone. In Delicatas Raum, wo sie uns durchsuchten, stand ein Funkgerät. Hast du es nicht gesehen?»
Collier schloß die Augen und sagte müde: «Ja, ich sah es, aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich glaube, es wirkte ganz normal, wie es da stand.»
«Vermutlich eine direkte Verbindung zu Presteign», sagte Willie ingrimmig. «Und so hat Presteign ihnen auch mitgeteilt, daß wir kommen.»
Nach und nach fand Collier sich mit der Unausweichlichkeit der Folgerung ab. Aaronson war unruhig geworden, hatte zu Presteign über seinen Argwohn gesprochen und war von Delicata umgebracht worden.
Dann war Modesty Blaise mit wohlbegründeten Verdachtsmomenten aufgetreten und hatte den Wunsch geäußert, in Mus Nachforschungen anzustellen. Wie überaus praktisch. Nicht nötig, Delicata wieder herbeizuzitieren. Man schickte die Opfer einfach zu ihm hinaus.
«Aber, um Himmels willen, damit kommt er doch nicht davon!» sagte Collier in plötzlicher Wut. «Tarrant weiß, daß wir hier sind. Jeder weiß, daß Tangye und sein Team sich hier aufhalten. Presteign kommt damit nicht durch, selbst wenn er uns alle umbringen läßt!»
«Das ist seine Absicht», sagte Modesty gedankenverloren. «Er wird Delicata befohlen haben, alle umzubringen, sobald Dinah den Schatz entdeckt hat. Und warum sollte er damit nicht durchkommen? Wir verschwinden einfach. Eine Marie-Celeste-Affäre. Oder vielleicht stürzt eine Felshöhle ein und verschüttet uns alle. Presteign wird damit davonkommen. Wer würde ihn denn verdächtigen?»
Es folgte Schweigen; dann sagte Dinah: «Es scheint, daß ich das Auffinden dieses Schatzes wohl besser noch verzögere.»
Willie Garvin legte seine Hand über ihre. «Kannst du sie denn irreführen, Schatz?»
«Ich glaube schon.» Im trüben Licht des Gemeinschaftsraums war ihr Gesicht bleich. «Jeden Tag stecken sie für mich eine Fläche ab. Zuerst war sie zu groß. Bei der Suche nach Edelmetall gerate ich in einen solchen Zustand, daß ich aus der Haut fahren könnte, und dann
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