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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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Tür. Fünfzehn Minuten später verschwand die Silhouette der
Delphine
in der Dunkelheit; Willie lenkte das Motorboot über die langen, sanften Wellen nach Nordwesten. Er hatte das Regendach aufgezogen, und es war jetzt gemütlich warm in dem kleinen Boot. Collier zündete Zigaretten an und reichte sie herum. Willie brachte eine halbe Flasche Brandy zum Vorschein.
    «Ich komme mir vor wie in einem Traum», sagte Collier, «in einem sehr erfreulichen Traum. Wann werdet ihr den Sack mit den Steinen der Polizei übergeben?»
    «Gar nicht.» Modesty nahm ein paar Schluck aus der Flasche und reichte sie Dinah. «Ich bin kein Anhänger der McReedy-Caspar-Gruppe, aber wenn ich sie verpfeife, so wäre das, als hacke eine Krähe der anderen ein Auge aus. Also kann diese Geschichte nicht erzählt werden. Und wenn ich mit der Beute erscheine und sage, ich hätte sie auf einer der Serinischen Inseln in einer Höhle gefunden, wird man mich verdächtigen. Mein Dossier mag verstaubt sein, aber die französische Polizei hat es bestimmt nicht weggeworfen.»
    Plötzlich gähnte sie, drückte sorgfältig ihre Zigarette aus, schob die Lehne ihres Sitzes zurück und ringelte sich zusammen, den Kopf auf ein Kissen gelegt. «Du und Dinah werdet die Beute abgeben müssen, Steve», sagte sie, «aber vorläufig noch nicht. Erstens möchte ich, daß ihr sie vor Zeugen findet, und zweitens will ich warten, bis die Versicherungsgesellschatten sich zusammengesetzt und eine Belohnung ausgeschrieben haben.»
    Collier blinzelte. «Belohnung? Daran hatte ich nicht gedacht.»
    Willie kicherte. «Sie wird kaum weniger als zehn Prozent betragen. Dinah, mein Schatz, du kannst mit 20000 Pfund in der Tasche rechnen – steuerfrei.»
    Stille trat ein. Dann sagte Dinah mit verwirrter Stimme: «In
meiner
Tasche? Red keinen Unsinn, Willie.»
    «Das tue ich nicht. Du hast McReedy entlarvt. Du hast die Beute gefunden. Ohne dich hätten wir sie niemals gefunden. Und ohne Beweis gegen Caspar hätte uns unsere nächtliche Eskapade in größere Ungelegenheiten gebracht. Stimmt’s, Prinzessin?»
    Von Modesty kam keine Antwort. Collier lehnte sich vor, um auf sie herabzusehen. «Großer Gott», sagte er empört, «sie schläft.» Sie schlief tatsächlich. Er hatte sie schon ein paarmal schlafend gesehen. Sie sah dabei immer sehr jung und seltsam wehrlos aus. In dieser Nacht – das Haar zerrauft, das Gesicht schmutzig und zerschunden – sah sie aus wie ein kleiner Gassenjunge.
    Er wußte jetzt, daß sie, seit Dinah McReedy als den Schuldigen bezeichnet hatte, an die Belohnung gedacht hatte, und er wurde von einer plötzlichen Welle grenzenloser Zuneigung zu ihr erfaßt. Er knurrte ärgerlich und sagte: «In Anwesenheit von Gästen zu schlafen! Sie hat überhaupt keine Manieren, das ist der Jammer mit ihr.»
    Er suchte Dinahs Hand und sah Willie an. «Gut. Dinah fand die Beute. Aber Modesty brachte uns auf die Yacht. Modesty riskierte ihren Hals mit diesem verdammten Drachen.»
    Willie zuckte die Achseln. Sein Gesicht war ernst. Es gelang ihm, ein breites, bewunderndes Grinsen zu unterdrücken. «Wenn du dich traust, ihr die Hälfte der Belohnung anzubieten, dann tu es nur», sagte er zweifelnd. «Sie wird allerdings wütend sein, das kann ich dir prophezeien.»
    Zwei Tage später machten Stephen Collier und seine Frau mit einer Anzahl Touristen einen von einem Reisebüro arrangierten Ausflug auf die Île Ste. Marguerite.
    Es war elf Uhr mittags, und Dinah saß auf dem felsigen Strand, während man fotografierte, als sie ein teeriges Seil unter sich spürte. Sie zog an. Das Seil reichte einen halben Meter tief in eine mit Geröll angefüllte Felsspalte hinab. An das andere Seilende war ein Lederbeutel angebunden. Der Inhalt dieses Beutels versetzte die ganze Touristengruppe in helle Aufregung, und das Rätsel, warum die für den kürzlich erfolgten Juwelenraub verantwortliche Bande ihre Beute gerade an diesem Platz verborgen hatte, gab Anlaß zu endlosen Spekulationen. Während Collier und Dinah auf der Polizeiwache ihren Fund übergaben, lag Willie ausgestreckt in einem Liegestuhl auf der Terrasse der Villa, genoß die Sonne und dachte nach. Er hörte das Klappern von Modestys Sandalen, als sie aus dem großen Wohnzimmer trat.
    Sie trug einen hellgelben Badeanzug, das Haar offen, nur mit einem Band zusammengehalten. Sie setzte sich auf den Fußteil seines Liegestuhls und blickte ihn an. In ihrem Benehmen lag eine leichte Unsicherheit, als wollte sie ihm etwas

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