Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen
Fenstern etwas konkav war. Ganz hinten auf einem hohen Podest stand die Jadekönigin. Sam Solon sagte: «Daß
Dragon’s Claw
mir gehört, ist kein Geheimnis. Ich habe die Insel vor fünfzehn Jahren von der Regierung gekauft und ließ sie von Arbeitern aus Taiwan nach meinen Wünschen ausbauen.» Er nahm etwas von einem Corradini-Tisch. «Ach ja, hier ist der neueste Katalog. Er enthält die übliche Beschreibung jedes Gegenstandes, aber er gibt auch an, wo, wann und wie er gestohlen wurde – die Methode, alles. Sie werden in der nächsten Auflage genannt sein, wenn wir die Jadekönigin hineinnehmen.»
Plötzlich kicherte er, und in seinen Augen lag die Fröhlichkeit eines Kobolds. «Wartet nur, bis ich abkratze und
Dragon’s Claw
dem Staat hinterlasse. Dann wird man auf der ganzen Welt eine Menge über Sam Solon schreiben, aber verdammt noch mal, dann wird es nicht mehr verächtlich klingen!» Er öffnete ein schön gedrucktes Buch mit einem silbern und golden verzierten Umschlag. «Gut. Jetzt beginnt die Führung.»
Die Bilderabteilung umfaßte siebzehn Gemälde, viele von ihnen waren auch ohne Solons Kommentar leicht zu identifizieren. Ein Parmigianino, zwei Stubbs und zwei Picasso, ein van Gogh, ein Breughel und ein Raffael. Ein Bild hielt Modesty Blaise für einen de Vlaminck, und in einer Gruppe von fünf modernen Russen erkannte sie einen Chagall und einen Kandinsky.
Hinter den Bildern standen zwölf kleine Tierfiguren aus Jade unter einer Gruppe von persischen Miniaturen.
In einer anderen Abteilung befand sich eine Sammlung von Fabergé auf schwarzem Samt: eine juwelengeschmückte Uhr, eine figurative Gruppe, ein kaiserliches Osterei und ein Blumenbukett aus Emailarbeit, Gold mit Diamanten, Rubinen und Smaragden. Irgendwo stand ein geschnitzter roter Lackstuhl neben einem Kästchen aus dem 17. Jahrhundert, intarsiert mit Kupfer und Schildpatt auf Palisander. Dahinter wieder Orientalisches. Eine frühe Bronze, ein gerippter schwarz glasierter Honan-Krug und ein Chan-Silberpokal mit Akanthusblättermotiven. Dahinter ein riesiger Gobelin.
In einer anderen Abteilung sah man eine enorme Louis XIV.-Standuhr vor einem Keschanteppich.
Es war eine atemberaubende, unschätzbare Sammlung und dennoch ein Mischmasch, bunt zusammengewürfelt von einem Mann, der weder Stil noch Geschmack hatte. Länger als eine Stunde gingen die beiden Gefangenen langsam umher, während Sam Solon jedes Wort über jeden Gegenstand vorlas und Auskunft gab, auch über die Art, wie das Kunstwerk erworben wurde. Er hatte mit knappen Worten begonnen, aber bald schwelgte er und besang seine Schätze wie ein Liebhaber, wollte Bewunderung hören und wurde böse, wenn sie nicht kam. Reverend Uriah Crisp und Condori hielten sich die ganze Zeit in einer bestimmten Entfernung hinter den gefesselten Gefangenen, in einer Entfernung, die einen Überraschungsangriff unmöglich machte, jedoch genügte, um einen präzisen Schuß abzugeben.
Endlich schloß Solon den Katalog und blickte Modesty und Willie an. «Und es geht weiter», sagte er triumphierend. «Dieser Beau ist ausgezeichnet. Wird manchmal ein wenig übermütig, und man muß ihm die Flügel stutzen, aber das ist bei einem intelligenten Jungen nur natürlich. Er und sein Team bringen mir alles, was ich haben will. So wird es weitergehen. Nicht wahr? Mein Gott, wenn die Leute in zwanzig oder dreißig Jahren kommen und das alles
und
noch viel mehr finden werden … Dann wird man feststellen, daß Sam Solon doch kein Rauhbein war. Er hat sie bloß alle an der Nase herumgeführt!»
Modesty betrachtete die Jadekönigin. «Aber Sie wollen das alles doch
jetzt
herzeigen», sagte sie langsam.
«Das ist oft ein Problem, zum Beispiel für Leute, die ein gestohlenes Bild kaufen. Sie wagen nicht, es jemandem zu zeigen, und das verdirbt ihnen die Freude. Doch bei Ihnen ist das anders, nicht?»
Wieder grinste Solon. «Kein Problem. Natürlich muß ich es ein paar Leuten zeigen, wo bleibt sonst der Spaß, aber ich mache alles in großem Stil, und ich hole mir auch große Leute her, um zu bewundern, was ich besitze. Leute aus der Kunstwelt, die verstehen, worum es geht.»
«Wie Robert Soames? Und Maria Cavalli? Und …»
«Ja. Dick Kingston hatte recht.»
«Deshalb haben Sie ihn getötet.»
Solon zwinkerte Reverend Uriah Crisp zu. «Er war ein Sünder, Mädchen.»
«Und die anderen, die Sie herbringen, um ihre Schätze zu betrachten, die werden auch als Sünder eingestuft?»
Ein Achselzucken.
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