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Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Titel: Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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hielt sie sich an der Greifleine der Koje fest und stimmte ihre Bewegungen auf die seines Kopfes ab, der im Rhythmus des Bootes hin und her rollte. Sie sah nachdenklich, ein wenig geistesabwesend drein.
    Wenn die Wettervorhersage stimmte, würde der Sturm zumindest zwei Tage andauern, und die
Wasp
war für Krankentransport und -pflege nicht gerade ideal. Der Mann war völlig ausgetrocknet, und sie würde versuchen müssen, mehr Wasser in ihn hineinzubekommen. Er sah durchschnittlich gesund aus, aber er war keineswegs ein Athlet. Aus seinem Aussehen schloß sie, daß er mehrere Tage nichts gegessen hatte.
    Er würde so rasch wie möglich Nahrung und Vitamine benötigen. Ein anderes Problem war, seine Lage so zu sichern, daß sein verbrannter Körper nicht fortwährend wundgescheuert wurde, wenn der Sturm das Boot hin und her schleuderte.
    Sie machte den Gurt los, zog das nasse Laken weg und begann, Brust, Arme und Schultern des Mannes einzureiben. Seine Temperatur war gefallen, stellte sie fest, sie konnte ihn nun gefahrlos in eine trockene Koje legen. Auch für sich selbst mußte sie eine Koje herrichten, denn vermutlich würde sie die nächsten zwei Tage in der Kajüte verbringen. Wenn nichts Unvorhergesehenes geschah, hatte sie draußen nichts verloren.
    Sie stützte sich ab, als das Boot in ein Wellental glitt, dann machte sie sich daran, den Mann umzudrehen, um seinen Rücken zu behandeln. Plötzlich hielt sie inne und sah prüfend auf seinen Arm. Beim nächsten Rollen des Bootes langte sie über den Kopf des Mannes zum Lichtschalter und inspizierte nochmals den Oberarm. Einstiche. Injektionsstiche an der Innenseite des Armes. Sie drehte das Licht ab und hockte sich auf die Fersen, während sie im Rhythmus des Bootes hin und her schwankte. Leise sagte sie vor sich hin: «Mein Gott, Willie, da haben wir einen seltsamen Patron aufgelesen.» Plötzlich wurde das Heulen des Windes stärker, und durch die Luke konnte man grünes Wasser sehen, während das Boot auf und nieder stampfte. Die mit Blasen bedeckten Lider des Mannes bewegten sich, und er stieß einen Schmerzenslaut aus.
    Sie kauerte auf dem Boden, die Augen zusammengekniffen, die Unterlippe zwischen den Zähnen; sie schob alle Fragen und Rätsel beiseite und konzentrierte ihre Gedanken auf das Problem, wie sie dem Mann, den ihr das Meer anvertraut hatte, am besten helfen konnte.
    ###
    Durch das samtene Dunkel seines Dämmerzustandes drangen Bewegung, Schmerz und die Erleichterung, wenn sie zu ihm kam. Alles Farbe. Kühle, kräftige Hände. Eine gleichmäßige Stimme, leise und beruhigend.
    Die Zeit war aus den Fugen geraten, und im Traum oder in der Realität, die er erlebte, gab es keine Ordnung. Er war im Meer und ging unter. Sie hob ihn in die Luft. Kopf an einer festen Brust. Er sah die gräßliche Rückenflosse. Hörte ihre Stimme. Die Erinnerung verschwamm. Ein Boot. Stampfend. Große Schmerzen. Rücken und Schulter wie Feuer. Dann eine kleine Besserung.
    «Bridie?»
    «Ich bin hier. Schluck das.»
    Ein Tropfen in seinem Mundwinkel. Suppengeschmack. Kleine Pillen. «Bitte, versuchen Sie zu schlucken.»
    Die Zeit vergeht. Heulender Wind wie ein großer Schrei. Die Farbe des Schmerzes zuckt durch sein Gehirn. Hin- und hergeworfen. Etwas hält ihn, aber immer noch bringt jede Bewegung Feuer auf seine Haut.
    Niemals Ruhe. Schmerz, Schmerz.
    Kühles Fleisch. Ihr ganzer Körper preßt sich eng an ihn. Ihr Arm über seiner Brust, stark, freundlich tröstend. Ruhe jetzt, obwohl das Stampfen weitergeht.
    Sein Körper von dem ihren festgehalten und beschützt.
    Geruch von Salz und gesundem Fleisch. Die Farben des Schmerzes weichen, und er kann einen Moment lang denken.
    Sie kann mich nur halten, solange ihre Kraft ausreicht.
    Bridie?
    Nicht Bridie. Eine andere Stimme. Ein anderer Körper. Bridie ist tot …
    Wieder verschwimmt alles. Wasser. Nahrung. Eine Art von Schlaf, als ihr Körper den seinen wieder festhält. In ihren Händen ist die Farbe des Mitgefühls, auch in ihrer Stimme und in ihrem Körper. Einmal ist sie lange Zeit fort und in panischer Angst schreit er nach ihr, während der Riese den kleinen Raum schüttelt, in dem er gefangen ist wie ein Käfer in einer Streichholzschachtel.
    Erinnerungen. Das Meer, die näher kommende Rückenflosse. Ihre Stimme, ihre Arme, die ihn halten. Das Schiff. Die plötzliche Kraft, als sie ihn hochhebt. Dann ihr Gesicht über ihm, von dunklen nassen Haaren eingerahmt. Ja, ja, das Gesicht. Mein Gott, ich muß ihr Profil

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