Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen
Worten des Geheimberichtes, den Modesty und Willie mit Tarrants Erlaubnis einmal zu einem bestimmten Zweck studieren durften, eine klassische Operation. Es war amüsant zuzuhören, wie sich ein solcher Mann über die dominierende Rolle seiner Schwester beklagte.
«Ich hab mein möglichstes getan, daß diesem ekelhaften kleinen Kerl schlecht wird», sagte Fraser geistesabwesend, blickte auf das große Rad und lächelte kläglich, als Lady Janet und Malcolm in ihrer Schaukel vorbeiflogen. «Einmal ordentlich hin und her schütteln, und ich könnte ihn zu seinen schrecklichen Eltern zurückbringen, aber was immer ich dem kleinen Mops auch biete, er verträgt es, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hoffe, Sie haben Tarrant verständigt, daß Modesty in Sicherheit ist; seit Ihrem ersten Anruf war er sehr nervös. Behauptet ihr schiffbrüchiger Matrose immer noch, Luke Fletcher zu sein?»
«Mehr oder weniger», sagte Willie, «außer daß ‹behaupten› nicht ganz das richtige Wort ist. Er war ziemlich fertig, und ich glaube, es hat kaum ein Gespräch zwischen ihm und Modesty stattgefunden. In der zweiten Nacht ist der Mast gebrochen, daher mußte sie, sobald der Sturm vorüber war, sich an die Arbeit machen und den Baum als Mast aufrichten.»
Fraser zwinkerte und zog eine Grimasse: «Nur gut, daß ihr das passierte und nicht mir. Ich bin ein schlechter Seemann. Und wie geht die Sache weiter?»
«Sobald das Wetter sich beruhigt hatte, versuchte man, sie von Sydney aus zu erreichen. Eine halbe Stunde bevor sie mich verständigte, kamen sie durch. Sie hat in der Dämmerung ihre Position bestimmt und weitergegeben. Man schickt ein Flugboot aus, um Luke Fletcher oder wer immer er auch sein mag, abzuholen.»
«Nur ihn?»
«Sie behauptet, das Boot sei immer noch seefest.»
«Trotzdem.»
«Sie würde das Boot nur verlassen, wenn es töricht wäre, weiterzusegeln. Es ist wichtig für Ben Hollison.»
«Ach so.» Fraser nickte verständnisvoll. Nach einer kurzen Pause fragte er: «Wie, zum Teufel, kann er Luke Fletcher sein?»
«Ich glaube nicht, daß er es ist, Jack, aber laut Modesty schwindelt er nicht. Ich meine, wenn man in einem Zustand beinahe tödlicher Erschöpfung ist, dann spielt man nicht Theater.»
«Also muß er glauben, er sei Fletcher.» Fraser zuckte die Achseln. «Manche Leute halten sich für Napoleon.»
«Ja, das traf auch auf Napoleon zu.»
Fraser starrte Willie an. «Glauben Sie wirklich, er könnte es sein?»
«Ich weiß absolut keine Erklärung dafür, aber das heißt noch nicht, daß es unwahr ist. Ich bin bei Dingen, die unmöglich sind, etwas vorsichtig geworden.
Außerdem …»
«Nun?»
«Ich glaube, die Prinzessin ist halb davon überzeugt. Nichts Konkretes, nur kleine Nuancen. Als er im Delirium war, nannte er sie fortwährend Bridie. So nannte Fletcher seine Frau Bridget.»
Fraser rieb sein Kinn, dann lachte er. «Ein Mann verschwindet im Mittelmeer und taucht in einem Schlauchboot am anderen Ende der Welt wieder auf.
Selbst der verrückteste Manager des dümmsten Filmstars würde einen so unglaubwürdigen Reklametrick ablehnen. Bei Luke Fletcher ist so etwas überhaupt undenkbar. Meine Gewährsleute von Fleet Street sagten mir, daß er niemals eingewilligt hat, auch nur ein Interview zu geben. Er haßte jede Form von Reklame.»
Willie sagte: «Sie haben sich ein wenig mit der Sache beschäftigt, was?»
«Tarrant ist davon fasziniert, teils weil er ein Fletcher-Fan, teils weil er ein Modesty-Blaise-Fan ist.»
«Ich hoffe, Sie haben den Zeitungsleuten nichts angedeutet. Ein großes Geschrei in der Presse wäre das letzte, was sie haben will.»
«Natürlich hab ich nichts gesagt, Sie Narr.» Fraser sah ihn beleidigt an, dann grinste er plötzlich. «Wenn es sich jedoch herausstellt, daß der Mann, den sie aus der Tasman-See aufgefischt hat, tatsächlich Luke Fletcher ist, dann wird es ein Riesengeschrei geben, ob sie will oder nicht.»
«Natürlich.» Willie antwortete einem Winken von Lady Janet und Malcolm, die eben ganz oben auf dem Rad schaukelten.
«Aber sie segelt die
Wasp
unter einem ihrer anderen Namen, weil sie Geschichten über ‹Einsame Seglerin› oder Ähnliches unter ihrem Namen vermeiden wollte. Radio Sydney kennt sie unter Lucienne Bouchier, und Fletchers Namen hat sie überhaupt nicht erwähnt. Das können sie selbst herausfinden. Als wir uns heute morgen unterhielten, sprachen wir arabisch, es ist daher nicht sehr wahrscheinlich, daß wir von jemandem, der die
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