Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen
mit rötlichem Haar und fanatischen Augen, ganz in Schwarz; ein Geistlicher, der auf die Beschreibung jenes Mannes paßte, der Willie Garvin während des Festes in Barnwell beobachtet hatte.
Der zweite Mann trat zur Seite und stand mit dem Rücken zur Wand, die Hände locker vor der Brust gefaltet. Der engelhafte Mann sagte: «Hat Ihnen mein schottischer Akzent gefallen, Süße? Ja, ja, es war ich und niemand anderer, der damals zwischen Ihnen und dem prächtigen Garvin auf dem Trafalgar Square saß.
Beauregard Browne mit einem ‹e›. Meister der Verkleidung und der Verstellung. Darf ich Platz nehmen? Ach, schauen Sie mal. Wollen Sie, bitte, Reverend Uriah einen Augenblick lang beobachten?» Die Hand des Priesters zuckte und hielt einen Revolver. Hätte sie nicht jede Reaktion unter Kontrolle gehabt, so hätten sich ihre Augen geweitet, denn noch nie hatte sie eine so schnelle Bewegung gesehen. Ohne merkliches Interesse wandte sie den Blick von dem Priester, während der andere Mann sagte: «Danke, Uriah.» Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der Revolver verschwand.
Beauregard Browne tänzelte ein paar Schritte vor und setzte sich mit strahlendem Lächeln ihr gegenüber.
«Willkommen auf
Dragon’s Claw
, liebe Lady.»
Sie sah aus wie jemand, der versucht, seine Langeweile zu verbergen, als sie nickte und sagte: «Eine Insel in der Tasman-See, ungefähr zwischen dem 35. und dem 40. Grad südlicher Breite, etwa 61 Grad östlicher Länge.»
Die Veilchenaugen wurden einen Augenblick starr.
Dann: «Das war recht klug. Darf man fragen, woher Sie das wissen?»
Sie zuckte die Achseln. «Ich besprach die Wahrscheinlichkeiten mit Willie Garvin, bevor wir England verließen. Mit Willie und mit anderen.»
Seine Augen funkelten. «Ich glaube, Sie wollen mich aus der Ruhe bringen, Miss Blaise. Das ist sehr unartig. Macht nichts. Ich kam bloß herein, um zu sehen, ob es Ihnen gut geht, und um ein paar Kleinigkeiten zu erklären, über die Sie sich vielleicht wundern.
Unser verehrter Patron besteht darauf, daß es seine Gäste während ihres Besuches so angenehm wie möglich haben. Übrigens ist es das erste Mal, daß wir für zwei Gäste zu sorgen haben. Garvin befindet sich im nächsten Block. Trennung aus Sicherheitsgründen. Seit dem lächerlichen Fletcher die Flucht gelang, legt unser geliebter Patron noch größeren Wert auf Sicherheit.»
«Sie meinen Solon?»
«Ja. Unser unauffindbares menschliches Abhörsystem, wie sie zweifellos erraten haben. Der unaussprechliche Antipode natürlich, obwohl Sie mich nicht zitieren dürfen, denn er ist der sensibelste Mensch der Welt.
Tatsächlich. Übrigens ist er im Augenblick nicht anwesend, denn er ist mit Modesty Blaise und Willie Garvin in Sydney gelandet – oder besser gesagt, mit dem Steward und der Stewardeß, ausgestattet mit Perücken und allem Zubehör, so daß man sie für euch beide halten kann. Und natürlich haben sie auch eure Pässe. Sie werden in einem von Mr. Solons Hotels einen Tag auf dem Zimmer zubringen und dann nach Tasmanien weiterreisen, allerdings nicht auf der Suche nach dem nicht existierenden Mr. Roper. Sie werden einfach ihre Perücken und ihre Verkleidung ablegen und wieder sie selbst sein. Und eines schönen Tages wird irgendwer irgendwo wohl fragen, was mit dieser netten Modesty Blaise und Willie Garvin geschehen sein mag? Und sie werden nirgends zu finden sein, nicht wahr? Hab ich nicht recht?»
Sie wies mit einer leichten Kopfbewegung auf Uriah und fragte: «Das war ein
Colt Combat Commander
, nicht wahr? Ein .45?» Schön gezeichnete goldene Augenbrauen wurden hochgezogen. «Ja, ich glaube, meine Süße. Aber Sie sollten nicht auf Nebensächlichkeiten ablenken, wenn wir uns so nett unterhalten. Was wollte ich als nächstes sagen? Ach ja. Wie schon erwähnt blieb unser geliebter Patron, der ehrenwerte Neusüdwaliser, in Sydney, um sicherzugehen, daß die Blaise-Garvin-Doubles ihre Sache gut machen. Aber er wird morgen früh herfliegen, und dann werden Sie alles Weitere erfahren, wie man so sagt. Ihr Abreisetermin ist für den folgenden Morgen festgesetzt; dann werden Sie laut unserem Bibelexperten noch mehr erfahren, nicht wahr, Uriah?»
Der Priester blickte Modesty mit brennenden Augen an und sagte mit bebender Stimme: «Im nächsten Leben wird es keine Geheimnisse geben.»
«Sehen Sie, meine Süße? Ist das nicht alles aufregend?»
Beauregard Browne stand auf. «Was unser heutiges Programm betrifft, so werde ich jetzt zu Willie
Weitere Kostenlose Bücher