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Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Titel: Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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würde es bleiben, bis jemand die Teile ergänzte. Es wird nicht mehr lange dauern, dachte sie.
    Solon hatte bei dem, was Luke Fletcher vergessen hatte, mitgespielt. Deshalb hatte seine erste Frage, als er von Sydney zur
Wasp
geflogen war, gelautet: «Haben Sie Sydney verständigt, daß wir Sie gefunden haben?»
    Eine negative Antwort hätte vermutlich für sie und Luke den Tod bedeutet.
    Wenn Solons Anblick Lukes Erinnerung aktiviert hätte, wäre es auf jeden Fall zu einem Mord gekommen. Es war sehr klug von ihm gewesen, sich dem kranken, halb betäubten Mann von Anfang an zu zeigen, denn damit wurde es unwahrscheinlicher, daß Luke später dieses Gesicht in Zusammenhang mit dem ausgelöschten Teil seiner Erinnerung gebracht hätte.
    Sie fragte sich kurz, warum Solon Luke nicht bald darauf hatte töten lassen. Schließlich war es offensichtlich, daß Mord ihn nicht störte. Diese Frage war jedoch reine Energieverschwendung, und sie schob sie beiseite.
    Immer noch stand Modesty am Fenster, betrachtete das Meer, die Wellen, den Himmel am Horizont; in Gedanken durchlebte sie nochmals die Fahrt mit der
Wasp
, den Punkt, an dem sie Luke gerettet hatte, und die merkwürdig unwirkliche Einheitlichkeit der Umgebung in einem Umkreis von mehr als tausend Kilometern. Dann schloß sie die Augen und aktivierte ihre unerklärliche Gabe, aus einigen wenigen bekannten Fakten Schlüsse zu ziehen. Sie spürte die Drehung der Erde unter und die Bewegungen der unsichtbaren Sterne über sich, während sie zu erfahren versuchte, auf welchem Punkt des Planeten sie sich befand.
    Nach einer Weile öffnete sie die Augen und ging durch das Schlafzimmer zur Dusche. Zehn Minuten später trocknete sie sich ab, nahm einen Büstenhalter und ein Höschen aus dem Schrank und untersuchte dann sorgfältig jedes einzelne Stück ihrer Kleidung und ihres Gepäcks, das sich im Zimmer befand.
    Ihre Kampfstiefel mit den hohlen Sohlen und den abnehmbaren Absätzen, die als Miniaturgranaten dienen konnten, waren nicht da. Das hatte sie bereits bei der ersten Prüfung des Zimmers festgestellt. Jetzt sah sie, daß auch der Kongo in dem kleinen Sack in ihrer schwarzen Hose fehlte, und auch die Gewichte waren aus dem Saum verschwunden. Aus den Hemdmanschetten hatte man das flache Bleistück entfernt und aus dem Kragen den harten Draht und das Zelluloidstück.
    Der Stahlkamm in ihrem Necessaire war durch einen Plastikkamm ersetzt. Dem Lippenstifthalter, der eine Tränengaspatrone enthalten hatte, fehlte die Gaskapsel.
    Man hatte jeden Gegenstand, der als Waffe oder zur Flucht dienen konnte, gefunden und entfernt. Sie hatte die düstere Gewißheit, daß mit Willie Garvins persönlichem Besitz das gleiche geschehen war.
    Vermutlich hatte er die letzte halbe Stunde ähnlich verbracht wie sie. Es gab keinen besonderen Grund, sich im Augenblick über Willie Sorgen zu machen, überlegte sie. Daß sie beide sehr bald sterben sollten, bezweifelte sie nicht, aber irgendwie fühlte sie, daß bis dahin noch einiges geschehen würde. Die Art und Weise des ganzen Unternehmens wies darauf hin.
    Sie zog ein Hemd, Hose, Socken und mokkassinartige Schuhe an, wandte sich zu dem Toilettentisch und bürstete ihr Haar.
    Ein kurzes Band von ihrem Nachthemd benutzte sie, um es zu einem Pferdeschwanz zusammenzubinden. Sie war eben damit fertig, als im größeren Zimmer eine Stimme ertönte. «Miss Blaise. Würden Sie die Freundlichkeit haben, hereinzukommen, Miss Blaise?»
    Es war der falsche schottische Akzent des Mannes, der auf dem Trafalgar Square bezüglich des Diebstahls der Jadekönigin instruiert hatte.
    Sie ging durch den Türbogen und sah, daß das Guckloch frei war. Durch die dicke Glasscheibe starrte ein Auge. Aus dem Gitter neben der Tür ertönte die Stimme. «Seien Sie so gut und setzen Sie sich so, daß ich Sie sehen kann. Sonst werden wir ein wenig Tränengas hineinpumpen, bis Sie gefügig sind.»
    Modesty ging zu einem der Lehnsessel und setzte sich nieder. Kurz darauf öffnete sich die Tür, ein Mann betrat dramatisch den Raum und blieb in der Pose eines Heldentenors mit zum Willkommen geöffneten Armen stehen. Goldene Haare, veilchenblaue Augen, lange Wimpern, ein engelhaftes Lächeln.
    Ein schlanker, breitschultriger, anmutiger Körper.
    Der Mann trug ein plissiertes eisblaues Seidenhemd ohne Jackett und eine zitronenfarbene Hose mit Sandalen, auf denen Diamanten funkelten. Der Lack seiner Zehennägel war auf die Farbe der Hose abgestimmt.
    Hinter ihm kam ein Mann

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