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Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman

Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman

Titel: Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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Namen Willie Garvin erwähnt hatte, wechselte er ins Englische. Sie machte sich nicht die Mühe, festzustellen, warum. Obwohl sie keine Uhr trug und jene des Franzosen zerschlagen war, sagte ihr ihre innere Uhr – sie war so präzise wie die eines Tieres –, dass es beinahe Mittag sein musste.
    Sie waren jetzt seit zwanzig Stunden begraben, und wenn sie sich erlaubt hätte, die Klagen des Körpers zur Kenntnis zu nehmen, hätte sie gemerkt, wie völlig ausgetrocknet sie war. Aber sie hatte sich geistig zurückgezogen. Nur ein kleiner Teil ihres Bewusstseins achtete auf den Mann neben ihr und auf die Geräusche von oben. Die Geräusche hatten vor vier Stunden begonnen, zuerst aus weiter Ferne … eine Sirene, ein aufheulender Motor, das Kratzen von Stahl auf Stein und – viel später – rufende Stimmen, weit weg. Sie musste sich beherrschen, um nicht zu rufen. Man würde sie nicht hören, bis die Retter wesentlich näher waren, und ihr vertrockneter Mund und Hals würden ihre Rufe bald auf ein heiseres Krächzen reduzieren.
    Dann kam er, der Ton, den sie erwartet und erhofft hatte, ein langer schriller Pfiff, durch zwei Finger und gespitzte Lippen ausgestoßen und vier Töne umfassend.
    Wie der befehlende Pfiff eines Hirten, der in der Ferne einem Hütehund Signal gibt. Sie richtete sich auf und erlaubte sich in der Dunkelheit ein kleines Lächeln der Erleichterung. Sie hatte große Angst gehabt, dass übereilte Rettungsarbeiten die Trümmer und Steine in Bewegung setzen und sie beide töten könnten. Es war gut zu wissen, dass Willie Garvin da war.
    Sie dachte an eine Zitrone, stellte sich vor, in die bittere Schale zu beißen, und spürte die Reaktion auf der Zunge. Nach ein paar Sekunden wurde sie mit einem kleinen Speichelfluss belohnt. Sie schob die kleinen Finger jeder Hand in die Mundwinkel und antwortete mit dem gleichen Vierton-Pfiff. Sofort kam die Erwiderung – einige rasche, fröhliche Wiederholungen des Signals.
    In der Dunkelheit sagte die heisere Stimme: »Villefranche … er ist in Villefranche. Bringen Sie Georges Martel den Talisman.« Stille und schweres Atmen. »Willie Garvin ist hier«, sagte sie. »Jetzt wird man uns bald befreien.«
    »Der Schwur … er muss gehalten werden. Alâeddin hat es.
Pas la vie
. Pfau … Schatten.« Ein merkwürdiges Kichern. »Genug für tausend Frauen. Shake … schütteln … George muss handeln …
by June …
bis Juni.«
    »Ja. Machen Sie sich keine Sorgen, versuchen Sie zu schlafen.« Sie fühlte seinen Puls. Er war unregelmäßig und zu rasch, aber der Franzose lag nicht im Sterben.
    »Alles wird in Ordnung kommen«, sagte sie und hielt seine Hand. »Bald wird alles in Ordnung sein.«
    Die Geräusche des Grabens waren schwach und näherten sich nur langsam und zögernd. Alle fünfzehn Minuten stieß sie einen Pfiff aus, um den Arbeitern den Weg zu weisen, aber es vergingen zwei weitere Stunden, bevor sie ein sorgfältiges Tasten über und links von sich spürte. Gefolgt von dem Geriesel einiger kleiner Steinchen und dem plötzlichen Strahl einer starken Lampe in die Grube. Der Strahl fiel auf das Gitter, und sie musste die Augen schützen, dann wanderte er weiter und richtete sich nach hinten auf eine Staubmaske, aus der zwei sehr blaue Augen herabblickten. Sie schob das Gitter beiseite, richtete sich auf den Knien auf und sagte: »Hallo, Willie.«
    Er stieß einen langen Seufzer aus und ließ den Lichtstrahl langsam durch den kleinen Raum wandern. »Jetzt sind es also Erdbeben. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie du das zustande bringst, Prinzessin.«
    Sie lachte heiser. Sein Gesicht verschwand, und er streckte den Arm durch das Loch, eine Wasserflasche in der Hand. Dankbar nahm sie die Flasche und trank.
    Willie stellte die Lampe nieder, schob mit der Schaufel etwas Geröll zur Seite, ließ sich durch das Loch gleiten und starrte in die Grube. Als sie ihm die Flasche zurückgab, fragte er: »Was ist mit deinem Freund?«
    »Ich kann ihm noch nichts zu trinken geben. Er ist bewusstlos. Übrigens ist es nicht Giles.«
    »Das weiß ich. Giles ist oben. Mit seiner komischen Riesentasche voller Kräuter und Heilpflanzen spielt er den Arzt. Er kam hier kurz nach Mitternacht an, etwa eine Stunde vor mir.« Willie zog sich ein wenig zurück und prüfte die Seiten des Loches. »Geht in Ordnung, Prinzessin. Ich habe alle wackligen Stücke auf dem Weg beiseite geschafft, also sollten wir keine Schwierigkeiten haben.«
    »Fein. Aber bring mir zuerst etwas, um sein

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