Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman
weißt.«
Es trat eine lange Pause ein, dann sagte die raue, tiefe Stimme in abgehacktem Französisch: »Wenig. Ich war mit Rodelle. Leibwächter. Und manchmal Mädchen für ihn abrichten. Blaise Mädchengeschäfte nicht mögen. Sie kommt nach Istanbul mit Garvin für große Kraftprobe. Wir wissen. Rodelle macht Falle. Sechs von uns warten im Lagerhaus, aber sie kommen unter Wasser. Aqualunge. Töten Stromanlage und fangen uns von hinten. Großer Kampf. Kann nur wenig sehen.«
»Musstest du dich gegen Modesty Blaise wehren? Oder gegen Garvin?«
»Ich gehe mit Messer auf Miss Blaise. Sie sehr rasche Reaktion. Stoppt Klinge bei einem Zentimeter vielleicht. Kongo für mich neu. Überraschung. Hand, Kopf – Ende.« Er klopfte mit einem Finger auf seine Schläfe. »Später ich aufwachen. Alles vorüber. Rodelle mit gebrochenem Rücken nach schwerem Fall.«
»Sie hat dich erledigt?«
Wieder nickte Little Krell, und sein Kopf wackelte auf den breiten Schultern hin und her. Ȇberraschung.
Und schnell. Ich davon gelernt. Stark ist nicht genug.
Klug ist nicht genug. Muss auch überraschen und schnell. Ich das die ganze Zeit üben. Ich das die ganze Zeit dir und Bruder lehren.«
»Ist Garvin auch so gut?«
»Ja.«
»Ich habe gehört, dass er nicht schießen kann.«
»Er nicht benutzen Feuerwaffen. Mit anderen Waffen großer Experte.«
»Er ist ein Messerspezialist, nicht wahr?«
»Kiriacou, der beste Messerwerfer, den ich kenne, er sagt mir, Garvin der beste auf der Welt.«
»Und unbewaffnet?«
»Sehr gefährlich. Sehr, sehr.« Little Krell klopfte auf seinen großen, kahl geschorenen Kopf. »Wie Miss Blaise er kämpft hier oben.«
Jeremy Silk lachte. »Das tun wir auch, Little Krell, das tun wir auch. Nehmen wir uns etwas vor: Eines Tages wirst du Modesty Blaise umbringen und ich Willie Garvin.«
Von der offenen Tür des Trainingsraumes kam Nannie Prendergasts Stimme: »Solche Dinge beschließen wir nicht, ohne sie vorher gründlich zu überlegen, Master Jeremy.«
Beide Männer erhoben sich, und Jeremy sagte:
»Nein, ich meine nur, es wäre doch hübsch, nicht wahr, Nannie?«
»Nun, wir werden sehen.« Sie sah Little Krell an, neigte graziös den Kopf und fuhr auf Französisch fort:
»Ich war über die Art, wie du letzthin deine neuen Pflichten ausgeführt hast, sehr erfreut, Little Krell.«
Verlegen trat er von einem Fuß auf den anderen.
»Danke, Miss Prendergast.«
»Du kannst jetzt schwimmen gehen. Ich habe mit Master Jeremy etwas Geschäftliches zu besprechen.«
Der runde Kopf nickte folgsam, dann drehte sich Little Krell um und lief aus dem Trainingsraum – eine untersetzte Gestalt, die sich mit verblüffender Leichtigkeit auf den massiven Beinen vorwärts bewegte.
Nannie Prendergast sagte: »Unser französischer Bote brachte vor einer halben Stunde eine Nachricht von Dominic. Wollen wir eine kleine Fahrt im Prahm unternehmen und besprechen, was er uns mitteilt? Es ist so ein schöner Tag.«
»Ja, natürlich, Nannie.«
»Zieh deinen Trainingsanzug an, Liebling. Du darfst dich nicht erkälten.«
Im Bootshaus lagen verschiedene kleine Boote und darunter vermutlich der einzige Flusskahn im Mittelmeer, ein Prahm. Östlich von einer Spitze der Insel erstreckte sich nur zwei bis zweieinhalb Meter unter der Wasseroberfläche eine Sandbank. Hier konnte man bei ruhiger See den Flusskahn benutzen, und Nannie Prendergast gefiel es, sich in die Kissen zurückzulegen und eine Hand im Wasser nachzuziehen, während einer der Jungen das schmale lange Boot mit dem flachen Boden gemütlich hin- und zurückstakte. Ihre Landsleute hätten den Anblick vermutlich eher komisch gefunden, doch die Mitglieder des Le-Dauphin-Jachtklubs waren stolz auf das würdevolle Boot ihrer englischen Nachbarn.
Während er den Flusskahn aus der Bucht brachte, fragte Jeremy: »Was hat Dominic zu berichten?«
Sie entnahm ihrer Handtasche ein langes Kuvert mit zwei gefalteten Briefbogen. »Es ist ihm gelungen, den wesentlichen Teil eines Gespräches zwischen unseren Freunden, Sir Gerald Tarrant und Monsieur Vaubois, genau mitanzuhören.«
Jeremy stieß einen Pfiff aus. »Mein Gott, wenn die Blaise diese großen Tiere zu sich gebeten hat, muss sie die ganze Sache wissen.«
»Du solltest den Namen Gottes nicht eitel nennen, Master Jeremy. Und zieh keine voreiligen Schlüsse. Beide Männer sind mit ihr befreundet. Dominic konnte nicht das ganze Gespräch mit anhören, aber er ist sicher, dass sie
nicht
von dem Objekt weiß. Sie
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