Modesty Blaise 12: Die Lady läßt es blitzen
Geräusch hatte nichts mit menschlichem Lachen zu tun, und in den Augen und im Gesicht unter dem Halbmond aus weißem Haar lag keine Fröhlichkeit, sondern nur eine Art obszönen Vergnügens, das wollüstige Schauer durch Mrs. Rams Körper sandte. Das Geräusch verebbte.
Aber als Thaddeus Pilgrim schließlich zu sprechen begann, wurde sein Körper immer noch von unterdrückten Krämpfen geschüttelt, so daß die Worte nur in entstelltem Keuchen aus dem offenen Mund brachen, und die einzige menschliche Regung in der nun seltsam bauchrednerisch klingenden Stimme war gewaltige, maßlose Verachtung.
»Der Ansatzpunkt? Die unnachgiebige Basis, auf der das Druckmittel wirkt? Oh …
Freundschaft
, liebe Dame. Ganz einfach Freundschaft! Diese unnatürliche Loyalität einer anderen Person gegenüber, die wahrscheinlich die ekelhafteste aller menschlichen Eigenschaften ist.« Er deutete auf die Akte.
»Aber es besteht kein Zweifel, daß Miss Blaise und Mr. Garvin Sklaven dieser Eigenschaft sind und wir somit einen perfekten Ansatzpunkt vorfinden.«
Ihre Schultern bebten, und ein Kichern brach von ihren Lippen. Die Dohle starb, während der Mann und die Frau in einem furchterregenden Duett miteinander gackerten. Dann seufzte Thaddeus Pilgrim, blickte ernüchtert an die Decke und sagte in seiner normalen, weitschweifigen Art: »Ach … das Fischerboot, das Miss Blaise hierhergebracht hat, es waren zwei Männer, glaube ich. Sind sie liquidiert?«
Sie wurde sofort ernst und erwiderte, ohne auf ihren Manuskripthalter zu sehen: »Ich bedaure, daß wir noch keine Neuigkeiten haben, Doktor. Unser Kreuzer sucht nach wie vor und wird Fischerboot sofort zerstören, aber die letzte Funkmeldung von Miss Johnson und Zanelli, die für die Eliminierung dieser Fischer verantwortlich sind, besagt, daß sie Boot nicht aufspüren konnten, da Lichter desselben kurz vor Miss Blaises Ankunft ausgemacht worden waren. Suche wird fortgesetzt, aber Boot scheint auf Umwegen zu fahren.«
»Ich möchte wissen«, sagte Thaddeus Pilgrim und kratzte sich am Kinn, »ob Miss Blaise die – äh – Voraussicht hatte, die Fischer vor einer möglichen Eliminierung zu
warnen?
Die Sache muß auf jeden Fall verfolgt werden, Mrs. Ram. Wir wollen nicht, daß die störrischen Fischer vom Festland über eine junge Dame sprechen, die auf etwas mysteriöse Art nach Kalivari gebracht worden ist.«
»Falls wir sie nicht aufspüren, lasse ich sie durch die Mittelsmänner identifizieren, durch die wir sie angeheuert haben, und veranlasse entsprechende Aktion, Doktor.« Sie machte eine Notiz auf ihrem Manuskripthalter.
»Danke, Mrs. Ram. Das ist, glaube ich, alles.«
Als sie gegangen war, saß Thaddeus Pilgrim eine Stunde lang da und starrte in die Luft, wobei sich sein Bewußtsein weit weg in einer Welt chaotischen Schreckens befand. Schließlich bewegte er sich, zog einen Schreibblock heran und schrieb die Worte »Salamander Vier« darauf.
Es gab Licht in der Zelle, das aus einer schwachen Glühbirne kam, die an einem kurzen Kabel hing und zweifellos von einem Generator irgendwo auf der Insel mit Strom versorgt wurde. Bis jetzt hatte sie noch keinen Versuch unternommen, die Zelle, die Eingangstür oder das enge, waagrechte Fenstergitter, das die Wand innen in Deckenhöhe und außen in Bodenhöhe durchbrach, zu untersuchen. Es hatte keinen Sinn, an Flucht zu denken, bevor sie einen Weg gefunden hatte, um Willie Garvin aus seiner durch den Schock hervorgerufenen mentalen und physischen Lähmung zu befreien, die ihn wie eine unsichtbare Zwangsjacke umgab.
Er lag zur Seite gedreht auf einer der breiten Kojen, nackt, halb mit einer Decke zugedeckt, die Knie angezogen wie ein Fötus im Mutterleib, die Fäuste gegen die Brust gepreßt, die Augen fest geschlossen, sämtliche Muskeln angespannt. Von Zeit zu Zeit wurde sein Körper von einem Schüttelfrost gepackt. Sie wußte, daß er bei Bewußtsein war, aber die einzigen Worte, die er gesprochen hatte, seit sie ihm auf die Koje geholfen und die Decke über ihm ausgebreitet hatte, waren:
»Tut mit leid, Prinzessin … tut mir sehr leid, Prinzessin«, die er in einem krächzenden, kaum hörbaren Flüstern hervorstieß.
Sie hatte eine der Decken entzweigerissen und benutzte eine Hälfte, um das Gitter damit abzudecken und eine gewisse Privatsphäre zu wahren. Die andere Hälfte hatte sie sich wie einen Sarong unter den Achselhöhlen um den Körper geschlungen.
Nun kniete sie neben der Koje, auf der Willie lag, strich
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