Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)
spanische Regisseur sich mit seiner spanischen Geliebten Spanisch unterhält und gar kein Deutsch kann.
Das »Florian« ist auch nicht mehr das, was es einmal war, nämlich eine »Negerkneipe« aus dem Film »Farewell my lovely«, in der der frisch aus dem Knast entlassene Gangster Moose Malloy den Besitzer umbringt, weil der ihm dumm kommt. Eine wunderbare Filmbar in L.A., in der ich gerne mal als Statist sitzen würde, und wenn mich der berühmte spanische Regisseur fragen würde, in welche Bar meiner Wahl er mich einladen könnte, dann würde ich mir die »Negerkneipe Florians« mit dem kaputten Neonschild wünschen. Im »Florian« am Heinrichplatz ist es stattdessen nur laut, und der Barmann hinter dem Tresen hat nicht mal mehr eine abgesägte Schrotflinte.
Deshalb gehe ich lieber ins »Einstein«, aber dort werde ich vom Chefbediener darauf hingewiesen, dass das Café gleich schließe, weil es dann Filmfestspiele habe, sowas wie die jährliche Grippe, wenn der Winter sich hinzieht und er das geschwächte Immunsystem der Leute ausnutzt, um noch ein paar Verheerungen anzurichten. Ich setze mich auf einen Beobachtungsposten, kann aber niemanden erkennen. Nur wenn jemand nicht ganz so schluffig und muffig wie der Durchschnittsberliner daherkommt, ahne ich, ah ein Filmfestspieler.
Ich frage einen Pinguin, wer denn heute alles so auftaucht. »No, dös san mehr so Leit aus der Filmbroosche.« »Prad Pitt?«, frage ich. »Wissens, i kenn die olle gor ned. Ober die Hollywud-Schauspieler kumma bloßner a holbe Stund, dann gengas wieder. Gestern worn die Esterreicher do.« »Hader?« »Kenn i ned.« Warum auch, aber dass ich wegen der Filmfestspieler auf mein sonntägliches Wiener Schnitzel verzichten muss, nimmt mich nicht gerade für sie ein.
Die Abgedrehten
Er wohnt im Nebenhaus, wo eine alte Dame manchmal ihr Essen aus dem dritten Stock wirft, und wenn man seinen Kopf aus dem Fenster streckt, kriegt man ab und an was ab. Ich glaube nicht, dass er was mit der alten Dame zu tun hat. Er ist groß und klapperdürr, trägt einen altmodischen grauen Anorak, der wie ein Zelt um ihn herumhängt, und einen Mundschutz, wie man das manchmal bei Japanern sieht, die große Angst vor Viren haben, die sich über so einen lächerlichen Mundschutz wahrscheinlich totlachen. Die Viren, nicht die Japaner.
Der komische Vogel hat immer einen krummen Ast dabei, der mehr zum Fuchteln, aber nicht als Stütze taugt. Leicht nach vorne gebeugt verschränkt er die Hände philosophisch auf dem Rücken. Er hat immer die gleiche, schon ziemlich abgenutzte Kaisers-Tüte dabei. Er geht nie auf dem Bürgersteig, sondern immer am Straßenrand, um einen möglichst großen Abstand zum normalen Straßenvolk zu halten. Alle fünf Meter bleibt er stehen und winkt beleidigt vorbeifahrenden Autos hinterher, als wolle er ausdrücken, jaja, verpestet ihr nur die Luft mit euren Abgasschleudern, ihr minderbemittelten Naturschädlinge, fahrt doch einfach so lange herum, bis ihr merkt, dass man CO2 nicht atmen kann, am besten auch an den nächsten Betonpfeiler, damit ich von euch erlöst bin, ihr hirnamputierten Vollspastiker.
Oder sowas ähnliches. Dann stochert er mit seinem Ast in der Luft herum. Er strahlt etwas aus, das einen nicht dazu verführt, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Aber er ist eine Bereicherung in einem Viertel, das sonst mit Touristen, Alternativmuttis und quäkenden Kleinkindern bevölkert ist, und mit türkischen Jugendlichen, die bis obenhin vollgepumpt sind mit Testosteron. Da ist eine solche Gestalt eine angenehme Überraschung.
Eine Zeitlang stapfte ein Schwarzer mit französischem Tourettesyndrom schwer und laut und breitbeinig auf das Pflaster und bewegte sich wie eine alles plattmachende Dampfwalze. Es sah gefährlich aus, wie er fluchend, schnaubend und grimassierend durch die Gegend ramenterte, war aber völlig harmlos. Oder die papierene, faltenzerfurchte, graue, kleine Frau, die 24 Stunden am Tag mit zwei grauen kleinen Hunden im Viertel umherirrte, und der ich verlässlich begegnete, sobald ich das Haus verließ, und die dann nur noch einen grauen kleinen Hund hatte, und jetzt keinen mehr, und die immer papierener und kleiner wird, und bei der ich, immer wenn ich sie ohne ihre grauen und kleinen Hunde sehe, an den Film »Ein Fisch namens Wanda« denken muss, wo eine alte Dame ihre Hündchen durch immer neue wahnwitzige Anschläge verliert, die eigentlich ihr gelten. Sie ist freundlich und lächelt und sie ist immer allein und
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