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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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eingesetzt. Man hatte Geld zusammengekratzt, und einer, Peter, dessen Gesicht voller Schorf war, hatte im Hauptbahnhof eine Flasche Schnaps erstanden. Sie kreiste, und selbst er, der keinen Cent hatte beisteuern können, bekam sie vor die Nase gehalten. Diesmal trank er: einen kleinen Schluck gegen die Kälte der Nacht. Und dann noch einen großen gegen die Kälte im Herzen.
    Camps hatte das Gefühl, einen Stein in der Brust zu tragen, so erstarrt war er und gelähmt vor Angst. Das Weltforum meldete sich nicht mehr, und er kam sich unendlich verlassen vor. Hatte man ihn abgeschrieben, weil er versagt hatte? Ergingen die Aufträge nun an andere? Er wusste es nicht.
    Einmal noch wollte er versuchen, Kontakt aufzunehmen, um dann, wenn es wieder misslang, zu warten, bis man Kontakt zu ihm aufnahm – oder auch nicht. Dann war er verloren. Der Feind würde über ihn herfallen und ihn vernichten.
    Camps griff nach dem Weltempfänger, der zwischen ihm und René auf der Bank stand. Irgendein Rapper sang gerade Es ist ein Geben und Nehmen, so wie man es halt kennt / Du kannst nicht erwarten, dass dir dein Land irgendwas schenkt, dann würgte er ihn ab.
    »Ey, lass doch, das is cool!«, verlangte René. »Das’s Harris, ’n Schwatter. Un’n deutscher Patriot.«
    »Gleich«, sagte er und fummelte am Regler. Doch René sprang auf, entriss ihm das Radio, suchte den Sender.
    … hab ’ne gesunde Portion Nationalbewusstsein …
    René lief ein Stückchen fort zum Busbahnsteig, drehte sich um, hielt sich den Empfänger ans Ohr und lachte. Lachte ihn aus. Bekam das Gesicht von Dr. Zimmer. Bekam das Gesicht der Nachbarin, die ihn immer überwacht hatte. Bekam das Gesicht des Toten in der S-Bahn. Thomas Camps sah rot. Er schoss in die Höhe, schaute sich um. Neben der Bank stand ein großer stählerner Papierkorb. Er riss ihn aus seiner Verankerung. Plötzlich hatte er Bärenkräfte und stürzte sich auf René. Der lachend davonlief. Dem er den schweren Korb fast mühelos nachwarf. René ging zu Boden. Thomas schaute durch blutigen Nebel. Er rannte zu dem Liegenden, der stöhnte, ergriff den Papierkorb, schlug ihm den Schädel ein. Er wandte sich um, raste auf die anderen zu, auf Peter, auf Hannes, auf Klopskopp. Sie schrien, fuchtelten mit den Armen. Irgendwo war ein Polizist. Mit dem Papierkorb drosch er um sich. Sirenen. Ein Streifenwagen. Drei Mann. Er schlug um sich. Er war stark. Ein weiterer Streifenwagen. Vier Mann. Rufe, Geschrei, knackende Knochen, Blut. Blut, Blut, Blut …
    Zu acht rangen sie ihn nieder. Thomas Camps beugte sich der Übermacht und wehrte sich nicht mehr.
    Sie lachten und brüllten durcheinander: »Versager! Nichts kriegst du auf die Reihe, du Loser! Nicht mal dein Studium hast du geschafft! Nichts, gar nichts! Du Null!«
    Er hatte verloren. Aber das Weltforum würde siegen.

Epilog: Gefühle
    Die Anspannung war von ihr abgefallen und hatte einer gewaltigen Leere Platz gemacht. Bisher hatte sie den Tag und halbe Nächte unter Menschen verbracht, jetzt war sie allein. Wie immer, wenn ein Fall gelöst war und der Kräfteverschleiß ein Ende hatte, spürte Barbara ihre tiefe Einsamkeit.
    Sie öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Klaren heraus. Der Schraubverschluss leistete kaum Widerstand, den ersten Schluck trank sie noch in der Küche. Ihr wurde warm in der Brust, doch nach dem zweiten Schluck im Flur überrollte sie die Erinnerung.
    Wie sehr Upleggers Bericht von der häuslichen Gewalt gegen Sandy Ball sie mitgenommen hatte, hatte sie unterdrückt. Vermutlich war der prügelnde Mann überfordert. Überfordert mit drei Kindern, von denen eines behindert war. Überfordert von sich selbst, seinen unbekannten Wünschen. Die Erklärung und Rechtfertigung für alles: Überforderung und zu hohe Ansprüche.
    Im Wohnzimmer ließ sich Barbara auf die Couch fallen, stellte die Flasche auf den Tisch. Eine angebrochene Palette stand schon da. Prekariatsfusel zum Prekariatsbier, das sollte wohl reichen für einen Höllentrip in die Bewusstlosigkeit.
    Wann sie aufgehört habe, Mama und Papa zu sagen, hatte Uplegger sie gefragt. Sie genehmigte sich einen ordentlichen Hieb. Solange sie sich erinnern konnte, hatte sie ihren Vater »den Alten« genannt, immer nur so und nie mit einem besitzanzeigenden Fürwort. DER ALTE! Vielleicht wären ihr andere, schlimmere Worte eingefallen, wenn der Alte nicht mit 45 gestorben wäre, krepiert an Leberkrebs, verdientermaßen elendiglich verreckt. Dieser ständig

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