Mörder im Zug
nicht. Aber sie können Drogen besorgen. Cannabis, Koks, Heroin, Speed, was Sie nur wollen.«
»Wusste Frau Medanauskas …?«
»Die? Na klar! Von Anfang an.«
»Nein!« Barbara schlug mit der flachen Hand auf den Tisch; ausnahmsweise war sie es, die ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. »Frau Medanauskas hat etwas mit Drogen zu schaffen? Wie das denn?«
»Sie ist der Kopf.«
»Herr Kröner, wenn Sie uns auf den Arm nehmen wollen …«
»Nein, nein!« Mortens Handbewegungen wurden wieder fahriger. »Was glauben Sie, mit welch harten Bandagen in der Gastronomie gekämpft wird? Wie schwer es ist, eine Familie von einer Gaststätte in einem Seebad zu ernähren, wo man aufs Saisongeschäft angewiesen ist? Das Al Faro läuft gar nicht gut und auch die Boutique …« Er hob die Schultern und ließ sie abrupt fallen. »Vater Medanauskas mag ein leidenschaftlicher Koch sein, aber vom Geschäftlichen versteht er nichts. Da immer genug Geld da war, hielt er sich für einen erfolgreichen Gastwirt. Eigentlich war es Wahnsinn, noch ein zweites Lokal zu eröffnen.«
»Herr Medanauskas weiß nichts von den Drogen?«
»Er ist vollkommen ahnungslos. Glaube ich jedenfalls.«
»Und Andriejus?«
»Nein, der auch nicht. Das wäre gar nicht gegangen. Ihn einzubeziehen, meine ich. Der war doch so ein Moralapostel, der hätte es sicher verhindert. Vielleicht wäre er sogar zur Polizei gerannt. In guter Absicht natürlich.« Morten verzog das Gesicht. »Er war ja so voll guter Absichten«, sagte er spöttisch. »Ein Gutmensch eben, wenn man einmal von dem absieht, was er Claudia angetan hat. Für mich war dieses Ich-bin-ja-so-gut-Getue immer ein Zeichen von Macke. Von Neid, Eifersucht, dauernder Angst vor dem Versagen … völlig plemplem.«
»Und Lucrezija Medanauskas hat den Drogenhandel organisiert?«
»Nein, nein, das war Riccardo. Sie hat aber die Anschubfinanzierung geleistet. Er war dann vor ein paar Jahren in Riga und hat sich dort mit seinem Onkel getroffen. Und mit zwei Cousins. Sie haben den Deal eingefädelt. Abnehmer gibt es genug, jedenfalls in den Klub. Wir haben dann hier eine dichte Vertriebsstruktur aufgebaut. Für die gehobeneren Schichten war das Piano nobile da. Riccardo arbeitete ja an bestimmten, festen Tagen im Piano , und da ging dann vor allem Koks über den Tresen. Besser gesagt, über die Klospülung.«
»Sind Sie nicht anderen Dealern ins Gehege gekommen?«
»Es gab eine Absprache. Das haben die Leute in Lettland geregelt. Wir haben nur verkauft.«
»Und Ihren Anteil kassiert.«
»Logisch.«
»Woher kommt der Stoff?«
»Na, aus den Anbauländern.«
»Kokain kann man nicht anbauen.«
»Ich weiß nur, dass das Material über Russland bezogen wurde. Da sind auch die Labors. Einer von Riccardos Cousins hat eine Spedition, das Zeug kam auf dem Landweg. Da wurden auch Zöllner bestochen und so. Es wurde auch mal ein Laster aus dem Verkehr gezogen, aber das war nur Theater. Für irgendwelche Chefs beim Zoll oder der Polizei, die sich nicht schmieren lassen. Ein kleiner Fahndungserfolg sollte sie ruhigstellen.«
»Ist Rostock ein so lukrativer Markt?«
»Wir waren auch im Umland tätig, eigentlich in ganz Westmecklenburg. Und wir wollten expandieren. Wenn Claudia wirklich nach Berlin gegangen wäre oder nach Hamburg …« Abermals füllten Tränen seine Augen, und seine Hände flogen.
»War sie involviert?«
»Nein, das nicht.« Er ließ den Kopf hängen. »Ich hab Scheiße gebaut. Wir hatten ein paar Schüler, die für uns gearbeitet haben. Es war kein Problem, sie in den Klubs zu rekrutieren; die haben regelrecht darauf gewartet, dass so etwas passiert. Na ja … ein Junge … Henning hieß der.« Morten räusperte sich. »Er war Claudias Liebling, weil er so gut in Englisch war. Der konnte sogar Geschichten auf Englisch schreiben! Er hat sie manchmal besucht, um über seine Texte zu reden. Ich hab ihn in ihrer Wohnung angeheuert, als sie mal für kleine Mädchen … Ein verdammt begabter Hund, hat die ganze Borwinschule versorgt. Aber dann passierte auf der Klassenfahrt so eine blöde Sache …«
»Wir wissen davon. Und Berlin respektive Hamburg waren fortan passé.«
»Nicht unbedingt. Wir hätten schon einen Weg gefunden. Aber Riccardo konnte ja den Kanal nicht voll kriegen.«
»Was heißt das?«
Morten liefen die Tränen wie Wasser über die Wangen, sammelten sich am Kinn und tropften von dort auf die Brust. Barbara und Uplegger verständigten sich mit einem Blick und legten eine
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