Mörder im Zug
flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, und er setzte sich. »Wir bieten nur Edelfisch an, meistens aus der Mittelmeerregion.«
»Leiten Sie das Restaurant?«
»Nein, der Chef ist Papa. Er sagt immer, ich sei sein Teilhaber, aber eigentlich bin ich nur ein besserer Angestellter.« Riccardo hatte ein Pokerface aufgesetzt, sodass nicht zu erkennen war, wie er mit seiner Rolle zurechtkam. »Papa kocht und schnauzt die Leute an, ich stehe hinterm Tresen und mache vor allem das Finanzielle. Auch fürs Piano nobile . Papa nennt mich den Finanzminister der Familie.« Darauf schien er nun doch stolz zu sein.
»Haben Sie etwas in dieser Richtung studiert?«
»Drei Semester Betriebswirtschaft. Das ging aber nicht zusammen, Studium und Arbeit. Außerdem sind Papas Erfahrungen in der Gastronomie mehr wert als alle Wirtschaftslehren zusammen.«
»Wo hat er diese Erfahrungen denn gesammelt?«
»Zuerst in Riga, dann in Rom, Florenz und Neapel. Nach Neapel hat er uns nachgeholt, also die ganze Familie. Mann, was für eine Wahnsinnsstadt! Kaputt, dreckig, übervölkert … aber total lebendig. Daneben ist Rostock tot.«
»Sie müssen damals noch sehr klein gewesen sein«, sagte Barbara.
»Ich war ein Baby. Ich bin sogar in Neapel getauft worden, was gar nicht so einfach war, weil wir Protestanten sind. Mein Vater wollte, dass ich Gennaro heiße, nach dem dortigen Stadtheiligen. Das wollte meine Mutter aber nicht. Mit einem italienischen Namen war sie ja einverstanden, aber Gennaro war ihr zu katholisch, also haben sie sich auf Riccardo geeinigt.« Seine Züge wurden weich, fast zärtlich. »Tja, ich bin der Einzige von uns mit einem originalen Spaghettinamen. In der Schule habe ich dafür sogar aufs Maul gekriegt. Irgendein Arsch dachte nämlich, ich bin wirklich Italiener. Wenn er gewusst hätte, dass ich Lette bin …«
»Hätten Sie auch aufs Maul gekriegt?«
»Die doppelte Ladung, nehme ich an.«
»Celerina ist kein italienischer Name?«, fragte Uplegger.
»Vielleicht auch. Aber er ist lettisch … Jedenfalls gibt es ihn auch in Lettland. Celerina, Celerinas, Celesta, Celestas, Celestina, Celestinas – mag sein, dass diese Namen italienischen Ursprungs sind. Keine Ahnung! Aber jetzt möchte ich einmal etwas fragen.«
»Bitte.«
»Sind Sie aus einem bestimmten Grund hier?«
»Mehrere Gründe«, sagte Uplegger. »Zuvor aber noch eine Frage zu den Restaurants. Ich nehme an, das Piano nobile leitet ihr Bruder Manfredas?«
»Ja. Er hat eine Fachschule für Hotel- und Gaststättengewerbe besucht. So heißt das in Deutschland: Hotel- und Gaststättengewerbe. Manchmal kann man nur den Kopf schütteln über die deutsche Sprache. Wie finden Sie zum Beispiel das Wort Nichtveranlagungsbescheinigung?«
Barbara reagierte schnell: »Ungefähr so bescheuert wie Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung.«
»Was?« Riccardo kniff die Augen zusammen.
»Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung. Die BTMVV regelt die Verschreibung, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln. Ich weiß nicht, ob Lexotanil dazugehört, aber ich weiß, dass Marihuana nicht erfasst wird, weil es weder verschrieben noch in Apotheken abgegeben werden kann.«
»Marihuana?« Der junge Mann schaute sie an, als habe sie von einer Mondreise berichtet.
»Kennen Sie nicht?«
»Klar kenne ich es.«
»Schon mal probiert?«
»Ich bin 23.«
»Verstehe. Wo sind Sie an den Stoff geraten?«
»Na, in der Disko natürlich. Da kreist doch immer mal eine Tüte. Marihuana, Cannabis … gibt es überall.«
»Überall? Bei der Polizei vielleicht nicht unbedingt.« Barbara lächelte nun ihrerseits. »Welche Diskos?«
»Aber das weiß ich doch jetzt nicht mehr!«
»Wieso jetzt nicht mehr? Sie sind immer noch 23.«
Riccardo seufzte. »In den Klubs, wo man eben so hingeht, wenn man jung ist, mit Kumpels abhängen oder tanzen möchte, oder ein Mädchen kennenlernen … Speicher, MAU, LT, Meli … Da wird überall gekifft. Das ist normal!«
»Und illegal«, ergänzte Uplegger.
»Bei Eigenbedarf nicht.«
Er kennt sich aus, dachte Barbara und fragte: »Gibt es dort, wo man hingeht, auch andere Drogen?«
»Alk.«
»Nicht mal ’ne schnelle Line Koks auf dem Klo?«
»Kann schon sein. Ich weiß es nicht. So etwas nehme ich nicht.« Das klang sehr überzeugt und überzeugend, und Barbara ließ es vorerst damit bewenden. Mit einem Blick warf sie Uplegger den Ball zu, der wie aus der Pistole geschossen sagte: »Wir haben Spuren von
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