Mörder im Zug
Marihuana im Wagen Ihres Bruders gefunden.«
Riccardo schnellte zurück, presste den Rücken an die Stuhllehne. »Quatsch!«
»Wenn wir es sagen, wird es kaum Quatsch sein. Hat Andriejus konsumiert?«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Und wenn, dann auch nur so wie ich, wenn er mal ausging. Das kam aber selten vor. Er war ein Stubenhocker. Also er ist paar Mal die Woche joggen gegangen und dauernd zu Hansa , aber in Klubs? Ich weiß nicht … zwei-, dreimal im Jahr vielleicht.«
»Er musste ja auch keine Mädchen kennenlernen.«
»Sie meinen wegen Claudia?«
Uplegger nickte.
»Ihr Vater sagte mir am Telefon, dass Claudia Brinkmann seine feste Freundin war.«
»Seine Ex.« Riccardo beugte sich wieder vor, nahm einen Löffel und rührte im Kaffee. Er wirkte nun ziemlich angespannt. »Sie sind seit über einem Jahr nicht mehr zusammen.«
»Ach? Und Ihre Eltern wissen nichts davon?«
»Andriejus hat es nicht geschafft, es ihnen zu sagen. Papa und Mama hatten so viele Hoffnungen, sie haben schon Zukunftspläne geschmiedet und was weiß ich. Schon an Hochzeit gedacht und an ein oder mehrere Enkelchen. Andriejus hatte keinen Mut.«
»Das widerspricht aber seinem Kampf im Betrieb.«
»Das ist etwas anderes. Es ist nicht leicht, sich gegen unsere Eltern zu behaupten. Die sind so unglaublich stark, und Andriejus ist es gar nicht. War es …« In Riccardos Augenwinkeln zeigten sich unvermutet Tränen, die Barbaras mütterliche Saite zum Klingen brachten, also wandte sie rasch den Blick ab und betrachtete die Trikolore. Vor dem Lokal hörte man das Geräusch eines vorfahrenden Kleinlasters.
»Da kommt der Fisch«, sagte Riccardo gepresst – und zugleich erleichtert.
»Dann wollen wir Sie nicht von der Arbeit abhalten«, sagte Barbara und schaute ihn wieder an. Die Tränen blieben dort, wo sie waren. »Eines müssen Sie uns aber noch sagen: Wie sind Sie gestern, nein, heute früh nach Hause gekommen?«
»Mit dem Mercedes.«
»Ihr Wagen?«
»Papas.«
»Und der Audi?«
»Gehört Mama. Ich nehme mal den einen, mal den anderen. Im Sommer kaufe ich mir aber einen eigenen.«
»Was haben Sie gedacht, als sie so gegen zwei Uhr daheim ankamen, und Andriejus’ Passat war noch nicht da?«
»Was auch Papa und Mama dachten: Er wird bei seinem Freund Morten sein. Da hat er manchmal übernachtet, wenn es spät wurde.«
»Also haben Sie sich keine Sorgen gemacht? Normalerweise ruft man doch an, wenn man über Nacht wegbleibt.«
»Ich habe angenommen, dass er es getan hat. Papa und Mama waren schon im Bett.«
»Okay. Wir danken Ihnen.« Barbara erhob sich, reichte ihm die Hand. Seine Handfläche war feucht. Auch Uplegger verabschiedete sich und fragte, was sie schuldig wären. Als Riccardo den Kopf schüttelte, legte er einen Fünf-Euro-Schein auf den Tisch.
Seite an Seite verließen sie das Lokal. Draußen begegneten sie einem Mann, der mit einem Lieferschein in der Hand das Al Faro ansteuerte.
»Er sagt noch Papa und Mama«, stellte Barbara auf dem Weg zum Auto fest. »Und immer zuerst Papa. Mit 23!«
»Wann haben Sie aufgehört, Ihre Eltern so zu nennen?«
»Ich musste damit nicht aufhören«, sagte Barbara und drehte sich noch einmal um. Riccardo half dem Fahrer beim Abladen der Kisten. In ihrer Handtasche klingelte das Handy. Das Gespräch war kurz, ihre Antworten nur ein zustimmendes Hm-hm.
»Der Fürst ruft zur Dienstbesprechung«, erklärte sie und stopfte das Telefon zurück.
»Na dann, fahren wir al principe.«
»So könnten Sie Ihr Restaurant nennen, wenn Sie mal eines aufmachen sollten.«
»Das habe ich nicht vor.«
»Schade.« Barbara öffnete die Beifahrertür. »Ich habe schon auf Rabatt spekuliert.«
Uplegger warf einen Blick in den Rückspiegel. Barbara war ihm dicht auf den Fersen. Träfen sie auf eine Streife der Autobahnpolizei, würde diese ihr signalisieren, umgehend einen ausreichenden Sicherheitsabstand herzustellen; vielleicht würde man sie sogar an einer geeigneten Stelle herauswinken und ihr eine Strafe aufbrummen. Wenn Uplegger scharf bremste, würde sie garantiert auffahren. Das tat er natürlich nicht, aber er feixte innerlich, wenn er sich vorstellte, wie gereizt sie war.
Gemeinsam befanden sie sich nach der fast zweistündigen Beratung beim Chef auf dem Weg, um der Störfabrik Golden World einen Besuch abzustatten. Danach wollten sie sich trennen, denn Uplegger hatte sich strikt geweigert, Penelope Pastor aufzusuchen. Er würde Cindy Blond übernehmen, die gar nicht Cindy
Weitere Kostenlose Bücher