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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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krankhaft gutgelaunter Moderator blökte im Autoradiogerade die Verkehrsnachrichten in den Äther, die vor allem daraus bestanden, die Aufstellungsorte von Blitzern mitzuteilen, als sich das Handy mit den ersten Takten der Eroica meldete. Uplegger hatte es in die Freisprecheinrichtung eingespannt und erkannte sogleich Barbaras Nummer. Die Abfahrt Glasewitz kam in Sicht.
    »Oh, bitte, Signore Uplegger …«, begann Barbara.
    »Vor Namen wird Signor ohne E verwendet.«
    »Grazie, Signor.«
    »Jetzt mit E.«
    »Himmel, Arsch und Zwirn! Äh, pardon! Wie sagt man? Ah, ja! Mi scusi, dottore! Könnten Sie vielleicht die übergroße Freundlichkeit besitzen, zehn Kilometerchen pro Stunde zuzulegen?« Barbara sprach mit einer bemüht süßlichen Stimme.
    »Wir sind sowieso gleich da.« Uplegger drehte dem Moderator den Saft ab.
    »Ja, dann …« Sie räusperte sich. »Wissen Sie, was ich gerade denke?«
    »Um das zu wissen, müsste ich in Ihrem Kopf hocken.«
    »Da sei Gott vor. Also, ich dachte eben, dass Fördermittelbetrug in Meck-Pomm ein regelrechter Volkssport geworden ist. Denken Sie nicht nur an die Gesellschaft für psychosoziale Betreuung , sondern erinnern Sie sich an das DVD-Werk in Dassow, an die Yachthafenresidenz Hohe Düne , an dieses Winterdings in Wittenburg …«
    »Der Snow Funpark «, sagte Uplegger.
    »Natürlich, als Vater eines 13-Jährigen wissen Sie das. Snow Funpark , bäh! Dann diese Spaßbäder an allen Ecken und Enden des Landes, am besten direkt in der baltischen Pfütze, weil da ja nicht genug Wasser drin ist. Und neuerdings war doch auch etwas mit einem Altenpflegeheim in Schwerin? Ein Geschäftsführer auf der Flucht vor seinen Gläubigern? Also wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich das Landesförderinstitut in Schwerin mal polizeilich unter die Lupe nehmen. Da müssen doch Bestechungsgelder ohne Ende fließen …«
    »Sie würden doch am liebsten ganz Schwerin mit Ermittlungsverfahren überziehen.«
    »Das genügt nicht. Ich würde die Stadt planieren und einen Großflughafen bauen. Denn mit dem Flugplatz Parchim stimmt doch auch etwas nicht?«
    »Dem Investor wurde ein Teil der Kaufsumme erlassen.«
    »Ja, genau! Ich sehe, dass Sie ebenfalls Zeitung lesen. Erst werden große Töne gespuckt, dann wird klammheimlich getürkt, was man nur türken kann. Und diese Kaviarschmiede ist anscheinend auch so ein Fall.«
    »Da vorn ist Güstrow!«, rief Uplegger.
    »Dann verrate ich Ihnen mal etwas.«
    »Ich höre.«
    »Wenn wir bei Glasewitz abgefahren wären auf die L 14, wären wir fast schon am Ziel.«
    Uplegger stöhnte auf. »Und warum sagen Sie das erst jetzt?«
    »Weil man Jungs beim Spielen nicht stören soll.«
     
    Barbara hatte nicht ohne Grund über den Fördermittelbetrug nachgedacht: Über Simon Rauch, den Geschäftsführer der Golden World Caviar Production , gab es bei der Rostocker Kriminalpolizei neun Aktenbände, und in München existierte ein ganzes Archiv. Vor zwölf Jahren hatte er in Oberbayern eine Firma aus dem Boden gestampft, die sich mit der ökologisch korrekten Nutzholzproduktion befasste, und er hatte auch gleich eine Bank und eine Baugesellschaft an die Holzfirma geklebt. Die Bank warb Anleger ein und emittierte Anteilsscheine, die Baugesellschaft steckte das Holz in atmungsaktive Reihenhäuser, und Fördergelder der EU flossen auch.
    In der Nähe von Priemerburg bekam die B 103 / 104 den klangvollen Namen Verbindungschaussee, was Barbara mit einem Kopfschütteln quittierte. In der Dienststelle hatte sie noch rasch die Akten durchgeblättert, um einigermaßen über Rauch im Bilde zu sein. Dabei war sie darauf gestoßen, dass der Unternehmer seinerzeit gar keine Lizenz für das Bankgeschäft besessen hatte, und so hatte das zuständige Bundesaufsichtsamt den Betrieb rasch wieder geschlossen. Davon abgesehen, war der Kapitalstock der Bank dünner gewesen als Alufolie, und da alle Welt auf Öko machte, kam alsbald die Pleite. 17 Millionen Mark Anlegergeld hatten sich im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch aufgelöst, und auch die Fördermillionen waren verschwunden, ohne dass irgendjemand zu sagen vermochte, wohin. Aber so sollte das ja auch bei der Gesellschaft für Psychosoziale Betreuung gewesen sein, so war das immer und immer wieder: Geldscheine aus Fördertöpfen bekamen Flügel und flatterten auf und davon. Wirklich seltsam, dachte Barbara, als sie in die Neukruger Straße bog. Allerdings sah sie das Geld sich nicht in Nichts auflösen, sondern sich verwandeln:

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