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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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hat, undeutliche Bilder zu machen, finden wir auf Anhieb. Wir haben nur nichts davon.«
    »Den Langhaarigen, der in Papendorf ausgestiegen ist, haben wir auch noch nicht gefunden«, meinte Uplegger.
    »Ich habe heute einen gesehen. Nur jünger, als von Sokolowski beschrieben.«
    »Ich auch.«
    »Meiner fuhr einen roten Mitsubishi Pajero mit einer Hansa – Kogge auf dem Reserverad. Doberaner Kennzeichen.«
    »Meiner auch.«
    »Jonas, haben wir jetzt beide Begegnungen der dritten Art?«
    »Nee, wir sprechen nur beide von Morten Kröner.«
    Uplegger hatte recht. Die Nummer, die sich Barbara gemerkt hatte, gehörte zu einem Wagen, der auf Kröner zugelassen war. Nachdem Uplegger den künftigen Polohof verlassen hatte, war Morten also sofort nach Warnemünde gefahren, um Riccardo zu treffen. Wenn das nicht verdächtig war, war es wenigstens eigenartig; oder hatte Morten nicht nur die Freundin, sondern auch den Bruder von Andriejus übernommen?
    »So.« Uplegger setzte sich und startete seinen PC. »Haben Sie schon Näheres über die Möchtegern-Rocker?«
    »Dazu bin ich noch nicht gekommen. Es hat sich nämlich ein Wunder ereignet.«
    »Ach? Wie heißen die beiden?«
    Barbara reichte ihm einen Zettel, den ihr Ann-Kathrin in den To-do-Korb gelegt hatte, dann nahm sie eine Mappe zur Hand.
    Die wiederum hatte ihr die Sekretärin auf dem Gang überreicht.
    »Priewe, Detlef«, murmelte er, dachte kurz nach und tippte. Vermutlich forschte er in den üblichen Registern. »Welches Wunder?«
    »Die Toxikologie …«
    »… die immer Wochen braucht, um ein Tröpfchen Blut zu untersuchen …«
    »Genau die. Stellen Sie sich vor, die haben da jetzt einen Neuen, der offenbar Karriere machen will.«
    »Hm. Über Detlef Priewe haben wir nichts. Nicht im BZR, nicht bei uns. Der andere … Stier, Marius … Marius! … Das toxikologische Gutachten liegt schon vor?«
    »Nur das vorläufige. Aus der Rechtsmedizin bekommen wir doch immer nur etwas Vorläufiges. Endgültig legen die sich erst fest, wenn die Messen gesungen sind. Also …«
    »Auch nichts. Detlef Priewe und Marius Stier sind weder vorbestraft noch sonst polizeibekannt. Zwei anscheinend unbescholtene Männer, denen man es nicht zutraut.«
    »Wollen Sie denn nun hören, was die Giftmischer sagen?«
    »Ich brenne darauf.«
    »Weder in der Leber noch in den Haaren gibt es Spuren, die auf einen längeren Gebrauch illegaler Drogen schließen lassen. Wenn überhaupt, war Andriejus Andrea M. höchstens Gelegenheitskonsument.«
    »Das steht bestimmt nicht im Gutachten.«
    »Nein, das ist meine Interpretation. Alkoholmissbrauch ist ebenfalls ausgeschlossen. Der Junge hat wirklich gesund gelebt – bis auf das Lexotanil.«
    »Seine legale Droge«, sagte Uplegger. Barbara gönnte ihm dieses Mal das letzte Wort.
    Uplegger krümmte sich vor Lachen. Er hatte sich einen winzigen Grappa genehmigt und stand, das Glas in der Hand, mitten in seinem Wohnzimmer, den Blick auf das Gemälde gerichtet, das sich urplötzlich als Kapitalanlage entpuppt hatte. Gemocht hatte er es nie, auch wenn es zu dem cleanen Ambiente passte. Verdammt, ja, warum es nicht durch einen röhrenden Hirsch ersetzen? Warum nicht endlich die Vergangenheit entrümpeln und den Flokati gegen einen unechten Perser, die weiße Ziegenledercouch gegen nachgeahmten Biedermeier austauschen? Warum nicht die Hölle der Erinnerungen verlassen oder sie verstecken unter Nippes, Häkeldeckchen, Kunstblumen und Tänzerinnen aus Meißner Porzellan? Irgendwann musste er Abschied nehmen.
    Sein Lachen erstarb, ging in Schluchzen über, das rasch von einem warmen Gefühl der Liebe abgelöst wurde: Liebe für seinen Sohn. Marvin lebte! Für ihn musste er da sein, denn Marvin brauchte ihn, und er brauchte ihn ganz. Die Tote war bedürfnislos.
    Aber es war so verflucht schwer, einen Schlussstrich zu ziehen. Denn dieser Schlussstrich bedeutete auch, die eigene Sterblichkeit anzuerkennen. Die Macht des Schicksals. Den Verlust von Kontrolle. Schwäche. Schwachheit, dein Name ist Mensch!
    Uplegger stellte das Glas auf den Tisch und verstaute die Flasche in der nicht gerade üppig bestückten Hausbar. Sein Handy meldete sich. Er folgte dem Ton, fand es im Flur auf der Garderobe. Der Blick aufs Display zeigte ihm sofort, was die Stunde geschlagen hatte.
     
    Barbara hatte soeben die Rolle der Tierärztin abgelegt und stand unentschlossen im Bad, wo sie sich zwischen drei Badezusätzen entscheiden konnte: Latschenkiefer, Lavendel oder Exotic Dreams.

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