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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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dem Weg in die Südstadt. Ich besuche kurz meine Eltern. Gestern habe ich Marvin zu ihnen gebracht.«
    »Darüber war er bestimmt begeistert! Sie behandeln ihn wirklich noch wie ein Kind. Aber das ist Ihre Sache. Sehen wir uns im Büro?«
    »Natürlich. Es ist ja erst kurz vor halb drei.«
    »Schon? Tatsächlich! Aber lassen Sie sich ruhig Zeit. Bis nachher. Und grüßen Sie!«
    »Danke«, sagte Uplegger und trennte die Verbindung.
    Barbara warf einen liebevollen Blick auf ihre Handtasche, denn darin war noch die Reserve.
     
    Upleggers Mutter öffnete die Tür mit der linken Hand, da sie in der rechten einen großen Teller selbstgebackener Pfeffernüsse balancierte. Nach dem Geruch aus der Wohnung zu urteilen, mussten sie noch warm sein, und Uplegger langte zu. Sie waren sogar heiß, und er verbrannte sich die Zunge.
    Im Flur verriet ihm ein Paar unbeschreiblich schmutziger Nikes, dass Marvin von seinem ABF Tim Besuch hatte. Im Übrigen war das nicht zu überhören.
    »Wow!«, krähte Marvin. »Ein fast perfekter Frontside Crooked Grind! Du hast heimlich geübt!«
    »Hab ich nicht nötig«, erwiderte Tim selbstgefällig. »Ich bin ein Naturtalent.«
    »Was machen die?«, wollte Uplegger wissen.
    Oma Südstadt legte die freie Hand auf die Klinke seines Kinderzimmers, das nun das Gästezimmer war.
    »Fingerboarding. Opa guckt zu. Er will das auch können. Kindskopp!« Sie verzog amüsiert das Gesicht. »Er regrediert.«
    »Mutti, du weißt doch, ich mag diese Psychobegriffe nicht.«
    »Okie-dokie!« Dr. phil. Gritta Uplegger stieß die Tür auf. Marvins Sprache hatte auch ihre Redeweise zu prägen begonnen. »Pfeffernüsse, Jungs!«
    »Super!«, rief Marvin.
    »Cool!«, rief Tim.
    »Voll endgeil!«, rief Dr. phil. Hans-Ulrich Uplegger. Wie Upleggers Mutter hatte er in vorgeschichtlicher Zeit marxistische Philosophie unterrichtet, er an der Uni, sie an der Schauspielschule, bis man die marxistische Philosophie nicht mehr brauchte. Nach einem Intermezzo an der Volkshochschule und in Arbeitslosigkeit hatten beide eine Agentur der Allianz aufgebaut, die damals die Staatliche Versicherung der DDR geschluckt hatte und dabei richtig fett geworden war. Jetzt hatten sie den Vorruhestand fest im Blick.
    Sobald derselbe eintreten würde, wollten sie irgendwo an der Seenplatte bauen, denn an Geld fehlte es ihnen nicht: Der Vertrieb von Policen war einträglicher als Philosophie; er konnte sogar zufriedener machen, wenn man nicht die Sinnfrage stellte.
    Uplegger trat ein. Marvin und Tim hatten die Tischdecke vom Ausziehtisch genommen und nutzten die Platte als Bahn für ein winzig kleines Skateboard.
    Marvin hob lässig die Rechte. »Hi, Papa!«
    »Hallo, ihr!«
    »Guten Tag, Herr Uplegger!« Tim hatte sich erhoben, reichte ihm die Hand und beugte den Kopf, denn er war fürchterlich gut erzogen. Das widersprach seiner Attitüde als Linker, die er durch lange Haare, ein Palästinensertuch, seine ausgetretenen Turnschuhe und diverse Sticker zum Ausdruck brachte; er war gegen Staat, Banken, Kernkraft und Strommonopole und zweifellos auch gegen Versicherungskonzerne, aber hier nicht. Seine Eltern sollten es mit ihrer Kette, die kein Backwerk verkaufte, sondern Hörgeräte, zu Multimillionären gebracht haben, aber das war vielleicht nur Legende. Reich waren sie jedenfalls.
    Opa Südstadt, der sich einen Küchenstuhl geholt hatte, um Enkel und ABF bei ihrer Beschäftigung beobachten zu können, stand ebenfalls auf, drückte Uplegger kurz an sich und küsste dreimal über dessen Schultern in die Luft. Das hatte es früher nicht gegeben und war entweder die Folge eines Frankreichurlaubs oder ebenfalls ein Zeichen von Regression.
    Uplegger deutete auf das Board. »Euer neues Hobby?«
    »Hobby? Das ist Sport, Mann! Und Kunst.« Tim legte Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand auf das Brett, hob es steil in die Luft, ließ es ein Stück fliegen und setzte es wieder auf die Tischplatte. »Dies war ein Ollie«, verkündete er stolz.
    »Tim kriegt zu Weihnachten einen Fingerboardpark«, erklärte Marvin aufgeregt. Uplegger ahnte, was auf ihn zukam.
    »Woher weißt du das schon?«
    »Weil ich mir einen gewünscht habe«, sagte Tim. Er konnte sehr überheblich sein, aber Freundschaft war Freundschaft, und Marvin liebte ihn sehr. »Einen Blackriver G6 Plaza.«
    »Kostet?«
    »Fünf-neun-neun.«
    »Ich nehme an, mit Komma und zwei Nullen nach der letzten Neun.«
    »Logisch!«
    Opa Südstadt pfiff durch die Zähne und nahm das Mini-Board in die

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