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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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Kragen zu und gesellte sich zu Barbara und Uplegger. »Gehen wir gucken?«
    »Es bleibt uns ja nichts anderes übrig«, entgegnete Barbara. Uplegger telefonierte das Revier in Lütten Klein an, fiel etwas zurück und rief dann Gunnar und Barbara in den Rücken: »Morten Kröner ist ausgeflogen. Fahndung läuft.«
     
    Sie sagten »Töte oder stirb!« und lachten. Sie sangen es und lachten. Sie brüllten es und lachten.
    »Die or kill, stirb oder töte, die or kill!« Das ging seit Stunden so. Er hielt sich die Ohren zu. Er stampfte auf den Boden, zog Blicke auf sich. Er fiel auf, und das durfte er nicht. Langsam nahm er die Hände von den Ohren und studierte den Fahrplan.
    Der nächste Zug war der Regionalexpress nach Schwerin. Wollte er dorthin? Vielleicht. Aber lieber noch weiter fort, so weit wie möglich. Das Weltforum hatte ihm befohlen, schleunigst zu verschwinden.
    Er trat an den Schalter, wobei er sich ständig umdrehte. Ein paar Jugendliche durchquerten die Halle des Rostocker Hauptbahnhofs, ein Mann mit Rollkoffer kam aus Richtung des gläsernen Aufzugs, vor dem Tabakladen neben der Tür unterhielten sich zwei Frauen. Wer von ihnen war der Feind?
    »Äh, sagen Sie …«
    Die Frau hinter dem Schalter blickte ihn an. Grinste sie? Grinste sie wissend? »Ja, bitte?«
    »Von Schwerin …« Er musste sich fürchterlich konzentrieren, der Kopf tat ihm weh. »Wie komme ich da weiter?«
    »Wohin möchten Sie denn?«
    »Ich … Wenn ich den Regionalexpress nehme … wohin?«
    »Geht es Ihnen nicht gut?« Sie durchschaute ihn. Musste er sie töten?
    Die Stimmen jubelten: »Ja, ja, töte sie! Bring sie um! Die or kill!«
    »Hamburg«, brachte er heraus. Er brauchte rasch neuen Kontakt.
    Die Frau musterte ihn besorgt. Sie wusste etwas.
    »Das wird schwierig«, sagte sie. »Sie haben mehr als vier Stunden Aufenthalt. Da werden Sie tüchtig durchfrieren.«
    »Aber ich muss.«
    »Gut, ich schreibe Ihnen die Verbindung auf.«
    Verbindung? Welcher Verbindung gehörte sie an? Welche Organisation hatte sie beauftragt?
    »Töte sie! Mach sie alle! Schaff sie weg!«
    Aber das konnte er nicht, nicht hier.
    »Bitte!« Sie reichte ihm einen Zettel. Einen Zettel mit Zahlen. Eine geheime Botschaft.
    Konzentrier dich! Das sind Abfahrts- und Ankunftszeiten! Schwerin, Hamburg …
    Aber die Schrift! Diese Schrift kannte er doch. Das war die Schrift seines Arztes. Sie musste mit seinem Arzt unter einer Decke stecken.
    Vor seinen Augen verwandelte sich ihr Gesicht. Sie wurde ein Mann. Sie wurde Doktor Zimmer. O Gott!
    Ohne sich zu bedanken zerknüllte er das kleine Papier, steckte es mit der gleichen Bewegung in die Tasche und lief zur Treppe.
    Der Leichnam war nur an seiner Kleidung zu erkennen. Die Fliehkräfte des sich drehenden Geschosses hatten sein Gesicht zerstört, aber noch schlimmer war die Austrittswunde. Das Projektil hatte ihn nicht bloß skalpiert, es hatte die Schädeldecke und große Teile des Gehirns mit sich gerissen, sodass den Kopf – was davon übrig war – ein ekelerregender Brei aus Blut und Hirn umgab. Barbara kannte solche Verletzungen nur aus dem Lehrbuch. Sie entstanden gewöhnlich, wenn man in einen mit Wasser gefüllten Mund schoss und dabei die sogenannte hydrodynamische Sprengwirkung ausnutzte. Das war die perfekte Selbstmordtechnik; nicht selten scheiterten Suizidversuche durch Kopfschuss daran, dass der Selbstmörder den Lauf in die falsche Richtung hielt. Bei einem Schuss in den wassergefüllten Mund gelang eine Selbsttötung immer.
    Riccardo aber konnte sich nicht selbst getötet haben, denn seine Hände waren mit Kabelbindern gefesselt. Der Mörder hatte ihn gezwungen, sich auf den Rücken zu legen, dann hatte er den Schuss abgefeuert. Ob er ihm zuvor Wasser eingeflößt hatte, vermochte Barbara nicht zu sagen. Auch aus dem Mund war Blut geflossen, und die Lache, die sich unterhalb des linken Ohrs gebildet hatte, konnte durchaus ein Blut-Wasser-Gemisch sein.
    Barbara wandte sich ab. Uplegger und Wendel starrten weiterhin gebannt auf den Toten, dessen Hände gerade mit Plastikhüllen gesichert wurden. Pentzien, nun in voller Montur, näherte sich vom Deponieweg her.
    »Der liegt ja wie auf einem Präsentierteller«, meinte er.
    »Immerhin ein Stück von der Siedlung entfernt«, sagte Uplegger.
    »Aber die Deponie ist ganz nah. Jeder Müllkutscher, der ein bisschen nach rechts guckt, würde ihn sehen.«
    »Was ist das überhaupt für eine Deponie? Hausmüll?«
    »Woher, Kinnings, soll ich das wissen? Ich

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