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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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unterschieben.« Ihre Finger nestelten an den Knöpfen ihrer braunen Strickjacke. »Oder dieser Riccardo! Der kommt ja aus … Der hat da was versteckt. Dem traue ich das zu. Dieser verschlagene Blick.«
    »Asiatischer Blick?«
    »Drehen Sie mir nicht das Wort im Mund um!« Die Mutter verwandelte sich in eine Furie. »Dieser Rostocker Drogenboss … der wie ein Käse heißt. Brie? Ja, so ähnlich … Der kam auch aus einer ehemaligen Sowjetrepublik. Aber das müssen Sie doch wissen! Auch ein Lette …«
    Barbara verdrehte die Augen. »Litauer.«
    »Ist doch fast dasselbe. Und dann … Italien! Neapel! Da müssen Sie doch dran denken. Morten, nein, Morten kann mit so etwas nichts zu tun haben. Sie kennen ihn nicht. Aber ich!«
    »Dass er kifft, ist Ihnen nicht entgangen, oder?«
    »Gott, das ist doch harmlos.«
    »Na ja.«
    »Morten ist so begabt!«, rief seine Mutter völlig unpassend.
    »Besonders für schwere Straftaten«, sagte Barbara und ließ die verzweifelte Frau einfach stehen.
    Uplegger hatte sich in den Obstgarten begeben und einen Blick in den Schuppen geworfen, ohne etwas Besonderes zu entdecken. Als er zurückkehrte, öffnete Pentzien ein hofseitiges Fenster und sagte so laut, dass es alle hören konnten: »Der Laptop steht hüllenlos im Schrank.«
    Barbara kehrte daraufhin noch einmal zur Mutter zurück.
    »Sind Sie sicher, dass es seine Laptop-Tasche war?«
    »Es war jedenfalls dieser Aufkleber darauf.«
    »Welcher Aufkleber?«
    »Keine Macht den Drogen!«
     
    Uplegger hatte einen Tipp abgegeben, aber den Jackpot nicht geknackt: Entgegen seiner Voraussage brannte im Haus der Medanauskas’ nirgendwo Licht. Im Carport stand nur der schwarze Mercedes.
    Sie mussten lange läuten, bis schließlich ein verschlafener Hausherr ihnen öffnete, und da sie schon einmal als Unglücksboten gekommen waren, trat in sein Gesicht sogleich ein Ausdruck von Angst. Wortlos führte er seine Besucher ins Wohnzimmer. Wenig später erschien die Tochter. Sie erbot sich, Kaffee zu kochen und suchte das Weite.
    »Schläft Ihre Frau?«, fragte Uplegger, bevor er sich in einen Sessel setzte. Auch Barbara nahm Platz.
    »Krank. Nerven.« Medanauskas ging zur Schrankwand, öffnete ein Fach und nahm eine angebrochene Schachtel Marlboro heraus. Er klappte ein Fenster auf, zündete eine Zigarette an, blies den Rauch ins Freie. »Heute im Geschäft. Umgefallen. Ist einfach alles zu viel!« Er klopfte die Asche in einen Blumentopf.
    Uplegger saß mit gebeugtem Haupt da und schaute auf seine Hände, Barbaras Zähne mahlten. Celerina trug ein Tablett mit Tassen und einem Zuckerdöschen herein, hielt ebenfalls den Kopf gesenkt. Aus der Küche war das Brodeln und Zischen der Kaffeemaschine zu hören.
    »Herr Medanauskas, setzen Sie sich doch«, bat Barbara.
    Er drückte die Zigarette in der Blumenerde aus.
    »Hab wieder angefangen. Zehn Jahre ohne, aber …«
    Celerina sagte mit leiser Stimme etwas auf Lettisch zu ihm, ging auf ihn zu und entwand ihm die Zigarettenschachtel, dann verließ sie wieder den Raum.
    »Ist Ihre Frau im Krankenhaus?«
    »Nein.« Er wies zur Zimmerdecke. »Sie nicht wollte. Männer mit Krankenauto haben nach Hause gebracht. Sie schläft. Spritze bekommen.«
    Die Atmosphäre in dem großen Raum war unerträglich, dabei war nichts anders als beim ersten Besuch. Es herrschte dieselbe penible Ordnung, nichts lag am falschen Platz, kein Staubkorn hatte eine Chance. Durch das halb geöffnete Fenster drang kalte Luft herein, aber Uplegger ließ etwas anderes frösteln. Er bekam die entsetzliche Nachricht einfach nicht über die Lippen. Hilfesuchend schaute er zu Barbara. Die blickte in die Dunkelheit vor dem Fenster.
    »Sagen Sie es!«, verlangte Medanauskas plötzlich fast im Befehlston. »Warum Sie wieder gekommen? Mitten in Nacht?«
    Barbara füllte ihre Lunge mit Luft, schloss für einen Moment die Augen.
    »Riccardo. Auch er ist …«
    »Nē!« Etwas Gläsernes fiel in der Küche zu Boden und ging zu Bruch. »Nē, tētis!« Celerina kam hereingestürzt, die Mickey Mouse auf ihrer Brust in Kaffee gebadet, und warf sich ihrem Vater um den Hals. »Mans tētis! Papa! Nicht auch Riccardo!«
    Perviltas war zur Salzsäule erstarrt. Sein Teint hatte die Farbe von Asche angenommen, die Augen füllten sich mit Blut. Uplegger schoss plötzlich der Titel eines Romans durch den Kopf, den er vor vielen, vielen Jahren gelesen hatte: Vor den Vätern sterben die Söhne .
    »Stimmt?«, fragte der Vater ihm gegenüber mit eisiger

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